Schlafmittel gehören hier zu Lande zu den 20 meist verschriebenen Medikamenten gegen Schlaflosigkeit. Schlaflieder dagegen verordnet kaum ein Arzt – obwohl Musik ein probates Schlafmittel ist und frei von Nebenwirkungen.
«Schlaf, Chindli, schlaf …» – wenn das so einfach wäre. Nur fünf von 100 Menschen in der Schweiz schlummern jede Nacht selig durch bis zum nächsten Morgen. Jeder Vierte dagegen leidet unter Schlafstörungen: Er oder sie hat Mühe, einzuschlafen, wälzt sich unruhig hin und her oder erwacht viel zu früh. Eine mögliche Therapie kann Musik sein. Sie hilft zu entspannen, lenkt von störenden Gedanken, unerträglicher Stille oder Lärm draussen ab, kann ein Gefühl der Sicherheit vermitteln oder einfach «nur» eine schlaffördernde Gewohnheit sein.
Musikpsychologe Stefan Kölsch hört selber am liebsten:
In der Umfrage waren die meistgenannten Komponisten/Musiker:
Das hängt vom persönlichen Geschmack ab. In einer Umfrage von Musikforschern gaben 13 von 651 Personen an, dass ihnen Heavy Metal beim Schlafen helfe. Die Mehrheit bevorzugte allerdings ruhige, entspannend wirkende Musik. Klassische Musik lag auf Platz eins der Schlaf-Hitparade, gefolgt von Rockmusik. Wichtig ist, dass die Musik als angenehm empfunden wird und nicht plötzlich lauter und wieder leiser wird.
Es muss aber nicht unbedingt Musik sein: Katzenschnurren, Meeresrauschen, das Geräusch von Regen oder das beruhigend wirkende Zirpen von Grillen – alles, was die Entspannung fördert, hilft auch dem Sandmännchen. Ein Tipp des Musikpsychologen Stefan Kölsch*: Alte Hörspielaufnahmen, die man als Kind zum Einschlafen gehört hat, funktionieren oft auch im Erwachsenenalter. «Viele Menschen mit Schlafproblemen müssen erst wieder lernen, sich zu entspannen. In der Musiktherapie kann die Klientin Entspannung erfahren, zum Beispiel über ein beruhigendes, therapeutisches ‹Fürspiel›, bei dem die Therapeutin für sie Musik oder Klänge spielt. Diese Entspannung kann in den Alltag mitgenommen werden», sagt Ursula Wehrli Rothe, Präsidentin des Schweizerischen Fachverbands für Musiktherapie.
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Musik kann die Hirnfunktion beeinflussen, die Hormone und auch das Immunsystem. Das lässt sich anhand der elektrischen Hirnströme messen, mit speziellen MRI-Untersuchungen und anhand von Blut- und Speichelproben. Zum Beispiel kann Musikhören den Stresshormon-Pegel senken – oder auch erhöhen, wenn der Nachbar morgens um drei wieder kreuzfalsch unter der Dusche singt. Musik ruft eben auch Stimmungen hervor oder verstärkt sie. Wer zum Beispiel sowieso schon niedergeschlagen ist, findet mit traurig klingender Musik schlechter aus dieser Stimmung wieder heraus als mit heiteren Musikstücken.
Und Musik kann Erinnerungen wecken: an den ersten Kuss, den Schulabschluss, die Beerdigung eines Freundes. Vor allem, wenn starke Gefühle im Spiel sind, prägen sich Musikstücke, die man in dem Moment hört, stark ein. Die Erinnerungen daran kommen oft hoch, wenn dieselbe Musik wieder erklingt.
All dies kann man sich bei Schlafstörungen zunutze machen: Am besten wählt man Musik,
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*Quelle und Buchtipp: Stefan Kölsch: «Good vibrations», Ullstein, 2019, 25.50 Franken.
Nur so lange, bis man eingeschlafen ist, rät Stefan Kölsch von der norwegischen Universität Bergen. So kommt das Hirn besser zur Ruhe. Denn das Gehör wird auch im Schaf nicht «abgeschaltet». Deshalb lohnt es sich, die Spieldauer zu programmieren. Beruhigend wirkende Geräusche dagegen können die ganze Nacht abgespielt werden. Sie helfen, leise Geräusche zu überdecken, durch die Menschen mit leichtem Schlaf sonst geweckt würden.
Wenn die Schlafstörungen Symptom einer Depression sind, sei eine Musiktherapie vermutlich hilfreich, so das Fazit von Wissenschaftlern der bekannten Cochrane-Vereinigung. Musiktherapie ist aber weit mehr als Musik hören. «Es geht dabei zum Beispiel auch darum, das ‹achtsame Hören zu üben», sagt Wehrli. Ob «nur» Musik hören die Schlafqualität verbessern kann, dazu bedarf es laut den Cochrane-Wissenschaftlern noch weiterer Studien. Die wenigen bisherigen Studien dazu deuteten zwar in diese Richtung, würden die Wirkung aber nicht beweisen.