Fast jedes dritte Kind schlafwandelt irgendwann. Die Schlafqualität leidet zwar nicht, dennoch lauern auch Gefahren. Ein paar einfache Faustregeln helfen, richtig zu reagieren.
Es ist Mitternacht. Samuel (5) schlurft ins Wohnzimmer. Seine Augen sind geöffnet, doch er reagiert nicht auf die Worte seiner Mutter. Er geht zum Regal, schichtet Bücher, geht dann wieder die Treppe hoch und ins Bett. Samuels Mutter ist irritiert, begreift aber schnell: Ihr Söhnchen schlafwandelt.
«30 Prozent der Menschen schlafwandeln mindestens einmal in ihrer Kindheit», erklärt Katharina Stingelin (34), Somnologin in der Klinik für Schlafmedizin Bad Zurzach. «Schlafwandeln tritt während des Reifungsprozesses des Kinderhirns häufiger auf und verschwindet oft im Teenageralter.» Besonders häufig macht sich Somnambulismus – also die Neigung zum nächtlichen Herumspazieren – im Alter zwischen vier und sieben Jahren bemerkbar. Bei den Erwachsenen ist weniger als ein Prozent davon betroffen.
Einen Einfluss hat die genetische Disposition: «Somnambulismus ist vererbbar», sagt Katharina Stingelin. Schlafwandeln findet meist während der Tiefschlafphase in der ersten Nachthälfte statt. Genau genommen ist es eine Aufwachstörung: Während ein Teil des Hirns aufwacht, bleibt der andere noch im Tiefschlaf. Oft liegt dafür kein besonderer Grund vor. Es kann aber sein, dass Stress oder Ereignisse wie Einschulung, bevorstehende Schulveranstaltungen oder die Scheidung der Eltern die nächtliche Tour auslösen.
Warum manche während des Herumwandelns sogar sprechen, sei unklar. Auch über die Prozesse beim Schlafwandeln wisse man nicht genau Bescheid, erklärt Katharina Stingelin. Untersuchungen hätten gezeigt, dass die vier Hirnlappen beim Schlafwandeln unterschiedliche Frequenzen aufweisen: Während ein Teil von Alphawellen durchströmt wird – was dem Wachsein entspricht –, befindet sich ein anderer in der Tiefschlafphase. (Lesen Sie unten weiter...)
Die Schlafklinik untersucht jährlich etwa zwischen vier und fünf Kinder auf Somnambulismus – meist dann, wenn Ereignisse wie ein Schullager bevorstehen. Für manches betroffene Kind ist Schlafwandeln ein Tabuthema. «Aber meist nur so lange, bis jemand von seinen nächtlichen Aktivitäten erzählt», sagt Katharina Stingelin, «danach geben oft auch die ‹Gspänli› ihre eigenen Geschichten zum Besten.» Eine Sorge kann man betroffenen Eltern nehmen: Der Mensch schläft beim Schlafwandeln – die Qualität des Schlafs ist also nicht beeinträchtigt.