Arbeitswege werden länger und die Pendlerströme haben sich in den letzten 25 Jahren massiv verlagert. Pendeln macht aber nicht krank – ganz im Gegenteil.
(Quelle: Bundesamt für Statistik)
Neun von zehn Erwerbstätigen in der Schweiz sind 2015 gependelt. Durchschnittlich benötigten sie pro Weg 30 Minuten. Die Zahl der Personen, die den Wohnkanton für die Arbeit verlassen mussten, nahm zwischen 1990 und 2015 von 12 auf 20 Prozent zu. In diesem Zeitraum hat sich die Zahl der Pendler von 2,9 auf 3,9 Millionen erhöht. Immer wieder ist zu lesen, dass Pendeln krank mache. Dem widerspricht Wirtschaftspsychologe Christian Fichter (46), Forschungsleiter der Kalaidos Fachhochschule Schweiz in Zürich.
In der Schweiz pendeln 3,9 Millionen Menschen. Jeder Zehnte nimmt einen Arbeitsweg von über einer Stunde auf sich. Macht das krank?
Es wird immer wieder behauptet, dass Pendeln stresst, krank macht und das Sozialleben belastet. Diese Behauptungen sind statistisch schlecht gestützt: Es gibt zwar solche Zusammenhänge, aber keine Kausalität. Anders gesagt: Die höheren Krankheitszahlen oder Scheidungsraten haben nicht mit dem Pendeln zu tun, sondern mit der Berufstätigkeit an sich.
Pendeln ist also kein Problem?
Im Gegenteil: Wer einen längeren Arbeitsweg in Kauf nimmt, kommt dem Traum vom preiswerteren Eigenheim oder vom Superjob näher, hat deshalb mehr Geld und kann sich besser erholen. Natürlich ist das nicht bei allen Pendlern so. Aber wer das für sich so umsetzen kann, ist viel lockerer unterwegs. Wem das zu nervig ist, der sollte versuchen, Job oder Wohnung zu wechseln.
In der Schweiz sind immer mehr Pendler immer länger unterwegs. Weshalb?
Viele finden in den Städten keine befriedigende Wohnsituation mehr – und umgekehrt auf dem Land keinen Traumjob. Eine florierende Wirtschaft beeinflusst die Preise im Immobilienmarkt. Diese Entwicklung muss man mit einer gewissen Sorge beobachten.
Wieso?
Weil die Pendelzeiten tendenziell steigen. In unserer Studie, bei der wir in Zusammenarbeit mit der SRF-Sendung «Einstein» 1600 Pendler befragt haben, stellten wir fest, dass ab einer Pendelzeit von 50 Minuten die Zufriedenheit sinkt. Wobei 45 Minuten im Stau mit dem Auto schlechter beurteilt werden, als wenn wir 90 Minuten produktiv im Zug arbeiten.
Eine Lösung wäre das Homeoffice.
Ja und Nein. Ein oder zwei Tage pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten, ist gut. Aber es gibt auch eine negative Komponente: Man verliert den Kontakt zu den Kollegen. Virtuelle Präsenz, beispielsweise mit Skype, kann nicht die physische ersetzen. Man kann den angeblichen Glücksverlust nicht mit Geld aufrechnen.