Zu wenig Sport, falsche Ernährung, zu viel Arbeit: Der Lebensstil des Partners oder der Partnerin kann eine Beziehung belasten. Die psychologische Beraterin Barbara Liechti verrät, wie man damit umgehen sollte.
Barabare Liechti: Ansprechen ist immer gut, aber es kommt auf das Wie an. Gibt sie ihrem Mann das Gefühl, dass das Problem ausschliesslich bei ihm liegt, wird sie damit scheitern.
Das mag sein. Aber mit ihrer Haltung bringt sie zum Ausdruck: «Ich weiss besser, was gut für dich ist.» Veränderungen können nur auf Augenhöhe erreicht werden – ohne Wertung und Vorverurteilung.
Sie sollte sich bewusst machen, dass sie keine neutrale Beobachterin ist. Ihre Sorge sagt nicht nur etwas über ihren Mann aus, sondern auch über sie selbst.
Vielleicht hat sie ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und will verhindern, ihren Mann durch einen Herzinfarkt zu verlieren. Es könnte auch sein, dass ihre Sorge das Symptom einer Vermeidung ist. Statt sich mit schwierigen Themen im eigenen Leben auseinanderzusetzen, fokussiert sie lieber auf den Mann.
Genau. In einer Beziehung ist jeder für seine eigenen Gefühle verantwortlich. Daher sollte man beim Ansprechen von schlechten Angewohnheiten immer bei sich bleiben.
Zunächst würde ich mein Gegenüber um Erlaubnis bitten: «Darf ich dir sagen, was ich gerade wahrnehme und fühle?» Bei einem Ja kann ich mein Hadern mit einer Situation ansprechen: «Ich komme damit nicht zurecht, dass du keinen Sport treibst. Wie siehst du das?» Es geht darum, den Partner oder die Partnerin ins Gespräch zu bringen, statt in die Ecke zu drängen.
Bei Kritik rutschen viele Menschen unbewusst in die Rolle des inneren Kindes. Sie durchleben zum Beispiel noch einmal die Hilflosigkeit einem Elternteil gegenüber. Davor schützen sie sich mit Sätzen wie diesem: «Ich lasse mir von niemandem sagen, wie ich zu leben habe.»
Das ist nur die eine Seite der «Wahrheit». Letztlich können beide Seiten recht haben. Wer sich anmasst, für den Partner zu sprechen, verhält sich übergriffig.
Nein. Man soll ihm ruhig mitteilen, wie belastend ein bestimmtes Verhalten ist und dass man sich eine Veränderung wünscht. Doch die Verantwortung trägt jeder für sich selbst.
Wenn ich mich zum Beispiel darüber ärgere, dass mein Partner so viel arbeitet, würde ich mich fragen: Weicht er mir vielleicht aus, weil er zu Hause so viel Druck empfindet? Vermittle ich ihm, dass er nicht genügt? In vielen langjährigen Beziehungen wird eine Kultur des Nörgelns gepflegt, die schlechte Angewohnheiten begünstigt.
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Weil sich Menschen nur aus einer inneren Überzeugung heraus verändern. Da helfen Druck und Vorwürfe nicht weiter. Besser ist es, das wünschenswerte Verhalten in einen konkreten Vorschlag zu übersetzen, zum Beispiel einen Spaziergang am Wochenende.
Unbedingt. Zeigen Sie, dass Sie bereit sind, die eigene Komfortzone zu verlassen oder zu erweitern. Durch gemeinsame Aktivitäten lösen Sie starre Fronten auf und nehmen so den Druck aus der Beziehung.
Hilfreich sind Interessensfragen. Wozu trinkst du Alkohol? Wofür arbeitest du so viel? Durch die Frage nach dem Nutzen verändert sich der Blick auf ein Verhalten. Vermeiden sollten Sie Fangfragen, die den Partner in eine Ecke drängen.
Dies könnte bevormundend wirken. Es wäre besser, das Thema offen anzusprechen. «Würdest du mit mir ins Fitnessstudio kommen, wenn ich dir einen Gutschein schenke?»
Damit habe ich in meiner Praxis schlechte Erfahrungen gemacht. Freunde vorzuschicken, wenn es in der Beziehung kriselt, gleicht einem Vertrauensbruch. Lieber sollte man sich professionelle Unterstützung holen.
Bedanken Sie sich fürs Mitfühlen, aber benennen Sie auch die eigenen Bedürfnisse: «Ja, ich sehe deine Sorge, aber Angeln gibt mir ein besseres Gefühl als Sport.» Durch respektvolles, wertschätzendes Miteinander entsteht eine Grundlage, auf der Verständnis und Kompromisse und damit Verhaltensänderungen möglich werden können.