Mehr Sport treiben, abnehmen, gesund leben – das sind Klassiker-Vorsätze, die Menschen regelmässig fassen. Doch jeder Zweite scheitert nach wenigen Wochen. Warum? Ein Coach gibt Auskunft.
Nach der Arbeit geht’s bei René erst mal aufs Sofa zum Entspannen und Lümmeln mit Zappen im TV. Da gehören auch eine Tüte Chips dazu und ein, zwei Bierchen oder eine Bloody Mary. «Nach einem Tag Homeoffice gönne ich mir gerne Süsses. Das habe ich mir verdient! In meinem Schrank lagern Chips, Süsses und die Hausbar steht auch gleich ums Eck. Ich bin halt ein Geniessertyp und Selbstdisziplin ist nicht mein Ding. Ich weiss, dass dies meine Gesundheit nicht fördert. Aber meine innere Stimme flüstert: ‹Ich fange morgen mit dem gesunden Leben an›.» Das sagt der Coach dazu:
René hat viele Ausreden, um sich vor «Niederlagen» zu schützen. Zudem hat er kein klares persönliches Ziel. Er fokussiert auf das Problem, nicht auf die Lösung. Schwierig wird es, wenn er in seiner Perspektive und seiner Ansicht über sich und die Situation stecken bleibt. Einfacher wird es, wenn er sein Leben von etwas weiter weg betrachtet, die Perspektive wechselt und die Lage neu bewertet.
Um einen Blick auf sich selber zu werfen, schlage ich ihm vor: «Stell dir vor, dein Leben ist ein Museum und jeder Tag besteht aus einem Zimmer. Wie würde dir das Museum gefallen, wenn du dich in fast jedem Zimmer mit einem Bier in der Hand auf der Couch sitzend und im Fernseher rumzappen sehen würdest? Die Veränderung liegt in deiner Hand.» Der Leidensdruck aufgrund des Ist-Zustandes muss so gross werden, dass der Wille stark wird, etwas zu ändern.
René sollte persönliche Gesundheits- und Verhaltensziele formulieren. Und sich fragen, ob ihn das Zappen und das Snacken von Chips wirklich entspannt. Fragen dazu sind: «Fühlst du dich danach wirklich besser, ist dein Verhalten zielführend? Kann es sein, dass deine Belohnung zu einer Gewohnheit geworden ist? Wie sieht deiner Meinung nach ein gesundes Leben aus?»
René möchte – auch weil seine Freundin sich über seinen Lebensstil beklagt – seine Gewohnheiten ändern. Er nimmt sich vor, abends Blevita statt Chips zu knabbern und stellt sich dazu vor, ein Bier zu trinken. In Tat und Wahrheit befindet sich aber Wasser im Bierglas. Nach zwei Tagen stehen wieder Bier und Chips auf dem Tisch … alles bleibt beim Alten.
Die Motivation ist extrinsisch, geht von seiner Freundin aus. Die Angst davor, dass ihm die Freundin den Laufpass gibt, weil sie seinen «Ranzen» nicht mehr erträgt, kann ihm einen Ruck geben. Allenfalls nimmt er dann wieder zu, wenn die Freundin später doch noch das Weite sucht. Deshalb ist die wichtige Frage: Was möchte René? Was sind seine Gesundheits- und Verhaltensziele? Wie möchte er sich fühlen? Wie möchte er sich verhalten?
Er möchte direkt zu 100 % erfolgreich sein und bricht sein Ziel nicht in kleinere Handlungsplanungen runter, welche zu 90 % umsetzbar sind. Besser wäre:
Step by Step. Dabei sind Schrittgrössen sehr individuell, sollten im Gespräch definiert und ausprobiert, anschliessend wieder angepasst werden.
René macht einen Plan und vereinbart mit seiner Freundin, dass er nur noch jeden zweiten Abend zwei Bier trinken wird. Ausserdem möchte er einmal pro Woche Nordic Walking im nahen Wald praktizieren. Auch seinen Kollegen teilt er mit, dass er im Pub beim Skirennen oder Fussball nicht bei jedem Treffer oder Erfolg ein Bier darauf trinken werde. Sobald er 10 Kilo abgenommen hat, verspricht er, wird eine Party steigen.
Alles richtig gemacht. Wer sein soziales Umfeld einbezieht in ein Ziel, hat mehr Druck. Wenn die Freunde fragen, wann denn die Minus-10-Kilogramm-Party über die Bühne geht, wird es René vielleicht peinlich, wenn er immer wieder aufschieben muss.
Viele Menschen informieren sich im Internet, haben verschiedene Berater vom Arzt über Psychologen bis hin zum Ernährungsberater – und wissen weder ein noch aus. Ein Coach hingegen kann uns dabei unterstützen, mehr über uns und unser Leben herauszufinden. Wir fragen, wie lebst du? Wie bewegst und ernährst du dich, und wie schläfst du? Es klingt banal, doch danach weiss René: Ich bin am liebsten im Wald, wenn ich mich bewege und fühle mich in der Natur am wohlsten. Hast du Walking-Stöcke? Machst du jeden zweiten Tag eine 30-minütige Runde? So lassen sich Schritt für Schritt neue Gewohnheiten etablieren – und die alten werden dadurch im besten Fall ersetzt. Und: Viele brauchen jemanden, der ihnen auf die Füsse tritt und lästige Fragen stellt: Warum genau warst du nicht im Wald letzte Woche? Regen? Dann riecht der Wald doch ganz besonders. Hast du einen grossen Schirm? Dann probiere es aus. Ideal ist, wenn René am Schluss selber sagt: Ja, ich bin gerne im Wald. Das ist dann nachhaltig.
Studien der letzten 10 Jahre zu Couch Potatoes zeigen, dass ein Telefonanruf alle 14 Tage sehr effektiv ist. Es braucht nicht zwingend ein persönliches Treffen oder wöchentliche Calls. Beim Coaching gibt es positive Rückmeldungen, weil jemand zuhört. Nach einem halben Jahr waren noch 90% dabei. Das Ziel war im Minimum eine halbe Stunde Bewegung pro Tag, um die Gesundheit zu behalten. Das Motto: Du kannst dir etwas Gutes tun, wenn du mal etwas eine halbe Stunde pro Tag machst. Aber nicht im Hau-Ruck-Stil, sondern mit kleinen Zielen.
Positive Signale des Körpers zeigen sich sehr schnell. Die Herzfrequenz sinkt, das Schnaufen bei Anstrengungen nimmt ab, man schafft mehr Stufen an der Treppe und damit erhöht man auch seinen Selbstwert. Im Schnitt dauert es im Minimum 60 Tage, bis man eine neue Verhaltensweise etabliert hat, weil man sie mindestens 60 Mal ausführen muss. Es braucht Geduld. Das sind Durchschnittswerte. Studien zeigen grosse individuelle Unterschiede. Im Ernährungsbereich sind Gewohnheitsveränderungen etwas schneller erreichbar, bei der Bewegung dauert es länger.
Gewohnheiten sind oft unbewusst, ein Routineprogramm. Nehmen wir das Zähne putzen. Es gibt in der Schweiz niemand mehr, der seine Zähne nicht putzt am Morgen. Diese Routine ist verankert im Gehirn und läuft automatisch ab.
Durch wiederholen! Neue Synapsen werden im Hippocampus aktiviert und Kontakte zwischen Nervenzellen werden verstärkt. Dadurch verfestigen sich Gewohnheiten. Dasselbe geschieht im positiven Sinne beim Sport, wenn ich neue Bewegungen lerne und Fortschritte mache.
Er sollte an Chips, Nüssen und Süssem vorbeigehen und um die Getränkeecke im Laden, wo das Bier steht, einen grossen Bogen machen.
Wenn man einen Sinn dahinter sieht. Wenn die Veränderung machbar erscheint. Wenn man ein Ziel vor Augen hat und eine Strategie, wie man das erreichen will. Wie René: nur zwei Bier jeden zweiten Abend, keine Chips und Süssigkeiten auf Vorrat kaufen, Stimuli wie die Bierecke im Laden umgehen. Wenn man sozial unterstützt wird, etwa mit dem Lebenspartner zusammen etwas Positives erreicht.
Vertrauen in sich selbst und dass die Veränderung etwas bewirkt. Yes I can!
Motive, Wünsche und Ziele sind persönlich und realistisch. Vertrauen in persönliche Fähigkeiten und Umsetzungskompetenz.
(Fortsetzung weiter unten…)
René weiss nun, was er besser machen kann und kennt auch die Fakten, die ihn daran hindern. Er ist neugierig, mehr über sich selbst zu erfahren und sich neuen Impulsen zu öffnen. Er stellt einen Plan auf.
René setzt den Plan um, verbannt Chips und Süsses aus der Küche, kauft nichts mehr auf Vorrat und trinkt statt Bier oder einem Bloody Mary Tomatensaft mit Pfeffer. Das erinnert an den Drink, ist aber alkoholfrei.
Zu lange am Computer sitzen. Deshalb mache ich regelmässig 30 Sekunden Dehnpausen, stehe ans Fenster und lasse den Blick in die Weite schweifen.
Lukas Zahner ist CEO der Saluta Coach AG und Entwickler des Personal Health Coachings in der Schweiz. Er ist Biologe, Master of Sports Sc. und Diplomtrainer Swiss Olympic. Als Professor an der Universität Basel forschte er über mehrere Jahre zum Thema.
Äussert jemand zum Beispiel Selbstmordgedanken, oder spricht über starke gesundheitliche Probleme, sorgt der Coach dafür, dass er sich an die richtige Fachperson wendet.