Bereits im Spätsommer schleppen Murmeltiere ihren Speck über Gebirgswiesen zum Schlupfloch. Liegt es auch in den Genen der Menschen, im Winter Fett anzulegen? iMpuls nimmt vier Mythen rund um den Winterspeck unter die Lupe.
Die Annahme: Bei klirrender Kälte schottet eine schöne Fettschicht unser Körperinneres ab. Deshalb futtern wir uns im Winter instinktiv Speckröllchen an. Ausrede oder Tatsache?
«Ausrede», sagt David Fäh, Präventivmediziner, Ernährungswissenschaftler und Dozent an der Berner Fachhochschule. Da wir uns vorwiegend in geheizten Räumen bewegten, brauche der Körper keinen Extraschutz gegen Kälte. Zudem würde der Körper bei Kälte so genannt braunes Fett herstellen, das Wärme abgibt. Braunes Fett ist nicht zu verwechseln mit dem herkömmlichen (Speicher-)fett, das sich unvorteilhaft auf Hüften, am Bauch und an anderen Stellen bemerkbar macht. «Braunes Fett besitzt Kraftwerke (Mitochondrien) und wärmt Säuglinge in den ersten entscheidenden Lebenswochen», erklärt der Mediziner. Im Verlauf des Lebens schrumpft es, da die im Verlauf der Kindheit wachsende Muskeln die Wärmeproduktion übernehmen können.
Allerdings lässt sich braunes Fett reaktivieren: «Drehen wir die Heizung runter, bilden sich wenige Gramm etwa unter den Schlüsselbeinen und am Hals, um diese exponierten Stellen zu wärmen». Schlemmen wir, legt der Körper die überschüssige Energie leider im ungeliebten Speicherfett ab – und zwar an Körperstellen, die definitiv keine Kälteisolation benötigen.
Murmeltiere brauchen ihre Fettreserven, um den Winter ohne Nahrungsaufnahme zu überstehen. Der «Murmeli»-Körper zapft dann die angefressene Energie an und kann dadurch den Stoffwechsel minimieren. Ab Spätsommer schlagen die Tiere bei der Nahrungsaufnahme zu.
Menschen haben im Spätherbst keinen Essdrang und nehmen meist auch nicht zu. Ausserdem bleibt der Grundumsatz über die Jahreszeiten hinweg in etwa derselbe. Der Winterschlaf mag zwar für manche verlockend klingen, ist aber beim Menschen genetisch nicht vorgesehen. Deshalb brauchen wir laut Fäh auch keinen Wintervorrat.
Tatsächlich bewegen wir uns im Winter im Schnitt womöglich weniger als in den warmen Sommermonaten. Allerdings ist das individuell sehr unterschiedlich. Aus Sicht des Energieverbrauchs spielt die Bewegung eine geringere Rolle als die Nahrungsaufnahme.
«Der Energieverbrauch von Sport und dessen Bedeutung beim Abnehmen werden überschätzt», sagt der Ernährungswissenschaftler. Um ein Kilo reines Fett abzunehmen, braucht es 7000 Defizitkalorien. Das entspricht 12 Stunden zügiges Jogging. Forscher gehen zusätzlich davon aus, dass die Ruhephasen von Menschen, die sich viel bewegen, entsprechend lang sind. Und der Körper fordert auch die Kalorien, die er verbraucht hat, wieder ein, um auf seinen Normalverbrauch zu kommen: Der Appetit steigt entsprechend.
Allerdings hallt sportliche Betätigung nach: Die Muskeln brauchen für die Regeneration Energie und werden dank des Sports besser durchblutet. Auch das verbraucht Energie. Unter dem Strich ändert sich aber aus der Sicht des Kalorienverbrauchs nicht viel. Fakt bleibt aber: «Sport und Bewegung sind sehr gesund. Das belegen zahlreiche Studien», so David Fäh. Der positive Effekt ergibt sich unabhängig davon, ob man dabei abnimmt oder nicht. (Fortsetzung weiter unten...)
«Das mangelnde Licht schlägt sich auf die Stimmung nieder, wir werden inaktiver», sagt David Fäh. Das ganze Aktivitätsmuster verändert sich, man bewegt sich weniger und hat vielleicht weniger soziale Kontakte. Da schafft der Griff nach Süssem kurzfristig Abhilfe, weil Süsses das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Die Stimmung bessert sich für eine Weile. Guetzli und Süsses gehören zu den Wochen rund um Weihnachten – ebenso Apéros, Weihnachtsessen im Geschäft und privat. Wir ändern also unser Essverhalten. Und hier liegt auch der wahre Grund für den Winterspeck.
Eine Studie aus Finnland zeigt: Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen legen jeweils an ihren Festtagen an Gewicht zu, im Schnitt zwischen 0.5 und 0.8 Kilo. Danach – wenn sie wieder im Normalmodus funktionieren – nehmen sie wieder ab. Aber rund die Hälfte der Gewichtszunahme nehmen die Studienteilnehme im Schnitt in die Sommermonate mit. Viele werden diese Hälfte aber gar nicht mehr los und legen so Jahr für Jahr schleichend zu. Schuld am Winterspeck sind weder Gene noch Instinkte, sondern schlicht und einfach die Festtage mit Einladungen und Feiern. Dazu kommt: In Gesellschaft essen und trinken wir mehr als alleine. «Man darf rund um die Festtage die Zurückhaltung beim Essen durchaus mal ablegen», rät David Fäh. Wichtig ist allerdings, dass danach Tage mit Intervallfasten folgen. Dann wird alles gut.
Quellen: Weight Gain over the Holidays in Three Countries,
New Scientist, Our body adapts to intense exercise to burn fewer calories