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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Familienglück mit zwei behinderten Kindern

Zwei von drei Kindern der Familie Schmid haben das Down-Syndrom. Das war anfangs ein Schock, doch mittlerweile sind die Eltern glücklich mit ihrer besonderen Situation.

Ruben begrüsst den Besuch gleich an der Haustür mit einer Umarmung. Danach rennt er ins Wohnzimmer, wo er auf der Matratze herumhüpft, auf einen Stuhl klettert und dann in sein Kartonhaus schlüpft. «Wir haben uns so eingerichtet, dass sich die Kinder austoben können», sagt Mutter Michal Schmid. «Für Kinder mit Down-Syndrom ist die motorische Förderung besonders wichtig.»

Die Familie Schmid in St. Margrethen hat drei Kinder, von denen zwei vom Down-Syndrom betroffen sind: der siebenjährige Ruben und sein vierjähriger Bruder Elijah, nicht aber die fünfjährige Zoë. «Das ist wie zweimal ein Sechser im Lotto», lacht die Mutter. Natürlich sei die Diagnose zuerst ein Schock gewesen. Doch mittlerweile ist das Elternpaar glücklich mit seiner besonderen Situation. «Es ist, wie wenn man nach Italien in die Ferien fliegen will und dann in Holland landet. Man hat wahrscheinlich die falschen Kleider dabei. Aber es ist auch in Holland schön.»

Viele Föten werden abgetrieben

Die Behinderung ist nach dem englischen Arzt John L. Down benannt, der sie im 19. Jahrhundert beschrieben hat. Häufig wird auch von Trisomie 21 gesprochen, weil das 21. Chromosom in den Zellen dreifach statt doppelt vorhanden ist. Neben geistigen Einschränkungen treten häufig auch körperliche Komplikationen auf. Je älter die Mutter, desto höher ist das Risiko für ein entsprechendes Kind. Bei deutlichen Hinweisen auf Down-Syndrom entscheiden sich etwa 90 Prozent der Paare für einen Schwangerschaftsabbruch.

Michal Schmid war mit 35 Jahren noch nicht besonders alt, als sie mit Ruben schwanger wurde. Auf spezielle Tests verzichtete das Paar. «Wir wollten nicht vor einer schwierigen Entscheidung stehen», erklärt Reto Schmid. «Und für uns hätte sich sowieso nichts geändert.»

Förderung ist wichtig

Ruben war als Baby ziemlich gesund, wuchs jedoch wegen seines Herzfehlers nur wenig. Im Alter von elf Monaten wurde er erfolgreich operiert und entwickelt sich seither gut. Mit 21 Monaten lernte er laufen – eher spät, aber immer noch in der Norm. Vom Verhalten her sei er jedoch ein anstrengendes Kleinkind gewesen, erzählt die Mutter: «Oft lief er auf die Strasse hinaus oder tobte auf dem Trottoir.» Zu Beginn sei sie wohl etwas zu nachsichtig mit ihm gewesen, räumt sie ein. Sie habe ihn zum Beispiel im Wohnzimmer essen lassen, wenn er dies unbedingt wollte. «Hauptsache, er ass überhaupt.» Doch durch die Beratung der Physiotherapeutin, Weiterbildungen und Bücher erkannte sie, wie wichtig es ist, Ruben an gewisse Normen zu gewöhnen, was unterdessen auch gelungen ist. «Wir wollen, dass unsere Kinder möglichst selbständig werden und sich in die Gesellschaft einfügen können.»

(Fortsetzung weiter unten…)

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Im normalen Kindergarten

Gerade kommt der vierjährige Elijah mit dem Vater von der Logopädie zurück. Er wirft einen Blick in die Küche und streift mit dem Finger über seine Zunge. Die Mutter versteht das Zeichen. «Nein, jetzt gibt es keine Glace», lacht sie. Elijah setzt sich bei der Mutter auf den Schoss. Er hat eine ruhigere Natur als sein Bruder. Im Alter von neun Monaten trat bei ihm eine Form von Epilepsie auf, die unterdessen wieder abgeheilt ist. Beide Knaben sprechen noch wenig, verstehen aber alles. Häufig kommunizieren sie mit einfachen Gebärden. Ruben wählt seinen Znüni jeweils aus, indem er auf Bilder von Heidelbeeren, Rüebli oder Crackers zeigt. Seit 2019 besucht er den normalen Kindergarten im Dorf. Dort macht er gut mit, hat Freunde gefunden und wird auch oft an Geburtstagsfeste eingeladen. Ob er im August in die Volksschule integriert werden kann, ist zurzeit in Abklärung.

Schwester weiss Bescheid

Dass ihre Brüder speziell sind, weiss auch Zoë, die an diesem Mittwochnachmittag ebenfalls am Küchentisch sitzt und malt. In der Entwicklung ist sie ihrem älteren Bruder in Vielem voraus. Die Eltern haben das Down-Syndrom mit dem Mädchen schon früh thematisiert. «Wir wollten nicht, dass Zoë im Kindergarten erfährt, dass ihre Brüder behindert sind», erklärt Michal Schmid. Wichtig ist ihnen zudem, dass die Schwester nicht die Rolle der Betreuerin einnimmt und ihren Brüdern etwa beim Anziehen hilft oder auf dem Kindergartenweg auf Ruben warten muss. Die Fünfjährige spielt gern mit Ruben und Elijah: «Es ist immer lustig mit den beiden.»

Zeit statt viel Geld

Die ersten Jahre seien schon anstrengend gewesen mit den drei Kleinkindern, blickt Michal Schmid zurück. Zum Glück habe sie viel Unterstützung von der Familie erhalten. Ihr Mann war als Bauleiter damals stark eingespannt. Unterdessen haben die beiden ihre Rollen getauscht: Die Lehrerin hat eine 60-Prozent-Stelle angenommen, während er hauptsächlich Hausmann ist. Finanziell sei das machbar, sagen die beiden.  «Genügend Zeit für die Familie ist uns wichtiger als Luxus», sagt Reto Schmid. «Unter Stress würden wir das nicht packen.» Die Ferien verbringt die Familie meist in ihrem grossen Garten, wo sich die Kinder auch an diesem Nachmittag austoben: Während Elijah die Leiter der Rutschbahn erklimmt, beschäftigt sich Ruben in der Spielküche und Zoë übt den Salto auf dem Trampolin.

Interview mit dem Kinderneurologen

Die Familie Schmid in St. Margrethen scheint sich bestens zu arrangieren mit ihren zwei Kindern mit Down-Syndrom. Hat sie einfach Glück gehabt?

Hilfe bei schwierigen Entscheidungen

Das Risiko für ein Kind mit Trisomie 21 steigt mit zunehmendem Alter der Mutter dramatisch an. Liegt es bei einer 20-Jährigen noch bei 1:1000, trägt bei den 35-Jährigen bereits eine von 500 Frauen einen Fötus mit Down-Syndrom in sich. Bei den 40-Jährigen ist es jede 100. und bei den 45-Jährigen sogar jede 27. Frau.

Die Diagnose des Down-Syndroms ist nicht ganz einfach: Etwa in der 11. Schwangerschaftswoche wird im Ultraschall routinemässig die Nackenfalte gemessen. Eine Vergrösserung sowie eine Erhöhung bestimmter Blutwerte lassen den Verdacht auf Trisomie 21 aufkommen. Für eine nahezu zweifelsfreie Diagnose ist jedoch eine Fruchtwasserpunktion nötig. Diese ist mit Gefahren verbunden, weshalb sich nicht alle dafür entscheiden. Seit einigen Jahren stehen zudem nicht invasive Pränataltests zur Verfügung, mit denen Chromosomenanomalien des Kindes im Blut der Mutter festgestellt werden können. Sie sind allerdings nicht bei allen Veränderungen vollends zuverlässig. Manchmal versagen sogar sämtliche Tests, sodass Eltern erst nach der Geburt erfahren, dass ihr Kind behindert ist.

Eine allfällige Abtreibung erfolgt somit in den meisten Fällen erst nach der 20. Schwangerschaftswoche. Ein einfaches Absaugen, wie bis zur 12. Woche üblich, ist dann nicht mehr möglich.

Bei einem entsprechenden Befund bleibt nur wenig Zeit, um zu überlegen, ob man das Kind austragen will oder nicht. Betroffene sollten sich keinesfalls zu Handlungen drängen lassen, die sie später möglicherweise bereuen. Verschiedene Organisationen bieten Beratungen an:

Eltern von Kindern mit Down-Syndrom sind im Verein für Betroffene und Angehörige vernetzt: www.insieme21.ch

Einen Austausch für Mütter und Väter von Kindern mit allen Arten von Behinderungen bietet zudem die Organisation Procap. In der Online-Serie «Flügge – Leben mit einem Kind mit Behinderung», die vom Migros Kulturprozent unterstützt wird, kommen Expertinnen und Experten sowie Betroffene zu Wort. Auf den thematischen Input folgt ein Diskussionsforum. Das Format findet jeden zweiten Dienstag von 20 bis 21 Uhr statt. Infos und Anmeldung unter www.procap-bern.ch/fluegge

Robert Steinfeld: Diese Eltern engagieren sich rührend für ihre Kinder. Man muss aber bedenken, dass nicht alle Paare gleichermassen belastbar sind. Deshalb würde ich niemanden verurteilen, der sich zu einem Abbruch der Schwangerschaft entscheidet, wenn die Diagnose Down-Syndrom feststeht.

Worauf müssen sich betroffene Paare gefasst machen, wenn sie sich zum Austragen des Kindes entscheiden?

Die Spannweite an geistigen und körperlichen Einschränkungen ist ziemlich breit. Zwar verbessern sich die medizinischen und therapeutischen Möglichkeiten stetig, dennoch sind schwerwiegende Komplikationen relativ häufig.

Woran denken Sie zum Beispiel?

Rund 50 Prozent der betroffenen Kinder leiden an einem Herzfehler. Heute kann dieser meist bereits im Säuglingsalter mit einer Operation behoben werden. Doch der Eingriff ist beschwerlich, sowohl für das Kind als auch die Eltern. Gehäuft treten zudem Infektionen der Atemwege auf, weil das Immunsystem weniger effizient arbeitet. Zudem kann es zu verminderter nächtlicher Sauerstoffzufuhr (Schlaf-Apnoe) kommen wegen des tieferen Muskeltonus sowie zu Autoimmunerkrankungen wie etwa Zöliakie oder Diabetes. Je nach Schwere des Herzfehlers und anderer Begleitkrankheiten ist auch die Lebenserwartung von Menschen mit Trisomie 21 eingeschränkt.

Geben Tests in der Schwangerschaft Hinweise darauf, wie gravierend die zu erwartenden Beschwerden sind?

Es lässt sich nur teilweise voraussagen, wie stark das ungeborene Kind später beeinträchtigt sein wird. Schwere Herzfehler sind manchmal mithilfe einer sogenannten Echokardiographie zu erkennen – einer Ultraschalluntersuchung, die etwa ab der 20. Schwangerschaftswoche aussagekräftig ist. Viele andere mögliche Erkrankungen kann man in vorgeburtlichen Tests nicht erkennen.

Trotz dieser Risiken: Viele Betroffene scheinen besonders herzliche Menschen zu sein. Stimmt diese Wahrnehmung oder handelt es sich um ein Klischee?

Kinder mit Down-Syndrom sind tatsächlich oft sehr zufriedene Menschen und können andere mit ihrer Fröhlichkeit anstecken. Weniger bekannt ist, dass auch psychische Probleme unter ihnen stark verbreitet sind. Typisch sind zum Beispiel Hyperaktivität, Autismus, Angst- und Zwangsstörungen, Depressionen sowie ein erhöhtes Demenzrisiko im Alter.

Für Eltern ist es wichtig zu wissen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind, wenn sie selbst nicht mehr für sie sorgen können. Können Menschen mit Down-Syndrom selbstständig leben?

Die meisten benötigen ein Leben lang Unterstützung und arbeiten im geschützten Arbeitsmarkt. Doch es gibt auch einige, die es zu einer selbstständigen Lebensführung schaffen und eine durchschnittliche Intelligenz aufweisen – besonders bei der sogenannten Mosaik-Trisomie, bei der das dreifache Chromosom nicht in allen Körperzellen vorhanden ist. Dies ist bei rund zwei Prozent der Betroffenen der Fall. Ausschlaggebend für einen günstigen Verlauf ist eine gute frühkindliche Förderung.

 

Bilder © Désirée Good

von Andrea Söldi,

veröffentlicht am 30.05.2022


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