Was ist dran am Rheumaschmerz bei Regen? Oder einem Sturm im Kopf bei Föhn oder Bise? Was die Wissenschaft zur Wetterfühligkeit sagt.
Die Natur kennt viele Launen. Gerade im Frühling und Herbst kann sich das Wetter unstabil zeigen: von Sturm zu Sonnenschein, von Schnee zu Regen innerhalb von wenigen Stunden. Dazu fahren die Temperaturen Achterbahn. Ob die Wetterwechsel Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben? Fragt man die Allgemeinheit, dann bejahen das viele Menschen. So haben in zwei Studien in Kanada und Deutschland über 50 Prozent der Befragten – etwas mehr Frauen als Männer – ausgesagt, sie nehmen an, dass bestimmte Wetterbedingungen ihre Gesundheit in irgendeiner Weise beeinflussen. Fragt man Fachpersonen aus Medizin und Forschung, dann bleiben diese aufgrund der dünnen Datenlage zurückhaltend. Johannes Gutwald, Präventivmediziner und Dermatologe/Venerologe mit Praxis im Arzthaus Zürich-City, bestätigt: «Ob und wie Wetterbedingungen auf die Gesundheit einwirken, kann derzeit medizinisch-wissenschaftlich nicht beantwortet werden. Es ist bisher weder nachgewiesen noch ausgeschlossen.»
Unter dem Begriff der Wetterfühligkeit versteht man, dass bestimmte Wetterbedingungen intuitiv zu gesundheitlichen Beschwerden führen. «Als häufigste Symptome werden Kopfschmerzen oder Migräne, Lethargie, Schlafstörungen, Müdigkeit und Gelenkbeschwerden genannt», sagt Gutwald. Vor allem bei stürmischem Wetter, Kälte, Feuchtigkeit und Regen klagen Patienten über Beschwerden. «Ob aber bestimmte Wettersituationen und Wetterfaktoren spezifische Beschwerden auslösen, ist nicht bekannt.» Auch unklar ist, ob einige Witterungen bereits bestehende Beschwerden verstärken. Einige Forscher unterscheiden zwischen Wetterfühligkeit bei Menschen, die grundsätzlich gesund sind – und Wetterempfindlichkeit, wenn chronisch Kranke mit Vorbelastung mehr unter der Witterung leiden.
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Bei einem Wechsel vom Wetterhoch zum Tief und umgekehrt entsteht ein Luftdruckwechsel. Allein der Begriff «Druck» könnte dazu verführen, hier die Ursachen für Beschwerden zu suchen. Der Atmosphärenphysiker und emeritierte Professor der ETH-Zürich, Hans Richner, hat sich viele Jahre mit dem Thema Wetterfühligkeit und Luftdruckschwankungen auseinandergesetzt. Er weist darauf hin, dass Luftdruck keine mechanische Belastung sei und Menschen leichte Druckunterschiede gar nicht wahrnehmen könnten. So entspräche der Druckunterschied zwischen einem Hoch- und einem Tiefdruckgebiet etwa jenem zwischen dem Parterre und dem 10. Stock eines Hochhauses.
Subjektives Empfinden ist zwar belegt. Aber objektiv einen Zusammenhang zu messen, ist schwer und bisher trotz verschiedener Studien nicht nachgewiesen. Manche Fachleute verweisen auf einen möglichen psychologischen Effekt: Wer etwa Biowetter-Prognosen studiert oder generell überzeugt ist, dass eine Wetterlage Beschwerden auslöst oder verstärkt, könnte tatsächlich die erwarteten Beschwerden spüren.
Oder könnte es sein, dass sich bei einigen Menschen die Aktivität des vegetativen Nervensystems bei heftigen und abrupten Wetterumschwüngen verändert? So zumindest eine weitere Hypothese. Dies könnte die Schmerzwahrnehmung und Entzündungsprozesse beeinflussen. Womöglich spielt auch noch die individuelle Tagesform – zu viel Stress, zu wenig Schlaf – eine Rolle.
Aber auch hier: Wissenschaftliche Nachweise fehlen. Entsprechend gebe es aus medizinischer Sicht auch keine empfohlenen Präventionsmassnahmen, wie Johannes Gutwald erklärt. Ein gesunder Lebensstil könne aber sicher eine gute Basis sein: «Grundsätzlich würde ich annehmen, dass Menschen mit einer gesunden Ernährung, reichlich Bewegung und ausreichend Schlaf eher gut gegen Wetterfühligkeit gerüstet sind.»
Und sicher schadet es auch nicht, regelmässig und bei jedem Wetter an die frische Luft zu gehen, den Körper den Launen der Natur auszusetzen und das vegetative Nervensystem zu stärken.