Schlafstörungen sind verbreitet. Relativ bekannt ist auch das Phänomen der Wolfsstunde: Nach etwa vier Stunden Schlaf wacht man auf und kann nicht mehr einschlafen. Je länger man sich im Bett hin- und herwälzt, desto mehr plagen einen düstere Gedanken. Eine Psychologin erklärt, weshalb das so ist, und wie man den Teufelskreis durchbrechen kann.
Mit dem Begriff Wolfsstunde ist im deutschsprachigen Raum das nächtliche Wachliegen gemeint, typischerweise zwischen drei und vier Uhr morgens. Woher der Begriff stammt, ist nicht genau bekannt. Er soll aber bereits in der Antike verwendet worden sein. Vielleicht hat es damit zu tun, dass man früher in der Nacht die Wölfe heulen hörte.
Meist habe das Aufwachen wahrscheinlich weniger mit der Uhrzeit zu tun, als mit dem Schlafdruck, sagt Carolin Reichert, Psychologin am Zentrum für Chronobiologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel. «Viele Menschen gehen zwischen 23 und 24 Uhr ins Bett. Nach etwa drei Stunden haben sie die ersten beiden Schlafzyklen mit einem grossen Anteil Tiefschlaf durchlaufen. Dann ist der Schlafdruck bereits ziemlich abgebaut.» In dieser Phase wache man leichter auf und könne manchmal nicht gleich wieder einschlafen, besonders, wenn man dann ins Grübeln gerät.
Die Stille und Dunkelheit in der Nacht und das Alleinsein tragen dazu bei, dass kleine Probleme riesengross werden und wir uns Sorgen machen über Dinge, die uns tagsüber oft als relativ leicht zu bewältigen erscheinen. Wenn wir dann noch fürchten, am nächsten Tag wegen des Schlafmangels nicht leistungsfähig zu sein, wird das Wiedereinschlafen zusätzlich erschwert.
Ja, unsere innere Uhr spielt ebenfalls eine Rolle. Viele Abläufe in unserem Körper folgen einem ungefähren 24-Stundenrhythmus. Der Haupttaktgeber dieser inneren Uhr sitzt im Hypothalamus, einem Teil des Zwischenhirns, der für die Steuerung der vegetativen Funktionen wie Temperatur und Blutdruck zuständig ist und auch bei der Hormonregulierung eine wichtige Rolle spielt. Das komplexe Zusammenspiel verschiedenster Hormone und Neurotransmitter ist die Grundlage, um nachts zur Ruhe zu kommen. Deshalb kommt es auch zum Jetlag, wenn wir schnell in eine andere Zeitzone reisen: Wir versuchen zu einem Zeitpunkt zu schlafen, an dem das Gehirn nicht bereit dazu ist, da sich der 24-Stundenverlauf der Hormone und Neurotransmitter noch nicht an die neue Zone angepasst hat. Auch unsere Stimmung folgt dieser inneren Uhr, wobei sie tendenziell nachts gedrückter ist.
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In der Schweiz geben Frauen bei Befragungen häufiger an als Männer, Schlafstörungen zu haben. Bei den Frauen sind es 33 Prozent, bei den Männern 25 Prozent. In den Wechseljahren können nächtliche Hitzewallungen und Schweissausbrüche den Schlaf zusätzlich beeinträchtigen. Mit zunehmendem Alter verändert sich der Schlaf aber auch bei Männern: Er wird weniger tief und man schläft häufig nicht mehr ganz durch. Dafür gelingt es älteren Menschen eher, tagsüber mal ein Nickerchen zu machen.
Wenn man weiss, dass es sich dabei um ein häufiges Phänomen handelt, das durch biologische Mechanismen begünstigt wird, kann das nächtliche Wachliegen bereits einen Teil seiner Bedrohung verlieren. Man kann sich dann nachts bewusst daran erinnern, dass die Sorgen bei Tageslicht erfahrungsgemäss wieder kleiner aussehen.
Schlaftabletten sollten generell nur wenn ärztlich verordnet und über einen begrenzten Zeitraum eingenommen werden, weil teilweise Suchtgefahr besteht und sie den Schlaf längerfristig stören können. Zudem kann es so weit kommen, dass man glaubt, ohne Medikamente nicht mehr schlafen zu können. Eine beruhigende Wirkung wird auch diversen pflanzlichen Mitteln nachgesagt, etwa Baldrian, Lavendel, Orangenblüten oder Hopfen. Bei dauerhaften Schlafproblemen fehlt jedoch ein wissenschaftlicher Nachweis.
Man sollte sich nicht zu lange im Bett hin- und herwälzen, rät Caroline Reichert. «Besser ist es, aufzustehen und etwas zu tun, das einem guttut und vom Grübeln ablenkt.» Welche Beschäftigung sich dazu am besten eignet, ist individuell. Einige lesen gerne ein Buch, andere hören Musik, lösen Rätsel, erledigen Hausarbeiten oder widmen sich der Körperpflege wie etwa Fingernägel schneiden oder eine Gesichtsmaske auftragen. Manchen helfen auch Atem- und Entspannungsübungen, bei anderen sind diese kontraproduktiv, weil sie dabei so krampfhaft versuchen, sich zu entspannen, dass der gegenteilige Effekt eintritt. Vom Handy sollte man nachts besser die Finger lassen, vor allem von Mails und Social Media. Reichert rät zudem, nachts nicht auf die Uhr zu schauen, sondern sich erst wieder ins Bett zu legen, wenn man sich müde fühlt. Dann kann man darauf vertrauen, dass der Körper um diese Zeit immer noch auf Schlaf eingestellt ist.