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Gesünder leben?

Gesünder leben?

Fakten und Mythen rund ums Hören

Hört man im Alter wirklich schlechter? Und gewöhnt man sich an Lärm? Aussagen rund ums Hören gibt es viele. Was davon ist wahr, und was gehört ins Reich der Mythen?

Die Experten
  • Dr. med. Josef Vavrina, Facharzt FMH Ohren-Nasen-Hals-Heilkunde, ORL HNO-Seepraxen Horgen und Wädenswil
  • Benjamin Knoth, Hörakustiker MiSENSO, Fachgeschäft für Hörgeräteakustik und Optik

Unsere Experten haben 13 oft gehörte Aussagen einem Faktencheck unterzogen.

1. «Wir hören nur mit den Ohren»

Ja, wir hören mit den Ohren, verstehen aber mit dem Gehirn. Die Ohren sind Signalempfänger. Sie wandeln Schallwellen in elektrische Impulse um, welche an das Gehirn übertragen und dort verarbeitet werden.
(Dr. J. Vavrina)

2. «Im Alter hört man immer schlechter»

Ja, das stimmt, da die Funktion der Haarzellen im Innenohr ab etwa 50 Jahren langsam abnimmt. Der Grad der degenerativen Veränderung im Innenohr ist hauptsächlich genetisch bedingt. Als Verstärker können die angehäufte Lärmexposition während des Lebens oder etwa Krankheiten, Durchblutungsstörungen oder Medikamenteneinnahme wirken.

Interessant ist, dass bei Naturvölkern die Altersschwerhörigkeit weniger ausgeprägt ist. Vermutlich weil sie weniger zivilisatorischem Lärm und Geräuschen ausgesetzt sind.
(Dr. J. Vavrina)

3. «Hörverlust kann man nicht aufhalten»

Das ist richtig. Stoppen kann man Hörverlust nicht, weder mit Medikamenten noch mit Operationen. Was aber möglich ist: Der degenerative Hörverlust lässt sich mit Hilfe eines Hörgeräts kompensieren. Das heisst, der Hörverlust besteht zwar weiter, aber durch die Schallverstärkung werden die noch funktionstüchtigen Haarzellen mehr stimuliert. 

Ein Hörverlust wird sich übrigens so entwickeln, wie man lebt: Mit einer anhaltend hohen Schallbelastung wird er schneller voranschreiten, als wenn wir in einer ruhigen Alltagsumgebung leben.
(Dr. J. Vavrina)

4. «Frauen hören besser als Männer»

Es gibt Unterschiede. Statistisch sind rund 10 Prozent mehr Männer als Frauen im Alterssegment der 60- bis 80-Jährigen hörbeeinträchtigt. Man geht hier nicht von geschlechterspezifischen Ursachen aus, sondern nimmt an, dass Männer vermehrt Geräuschen und Lärm exponiert waren.
(Dr. J. Vavrina)

5. «Wer taub geboren ist, wird nie hören können»

Ja und nein. Wohl können bis heute defekte Innenohrzellen nicht regenerieren. Aber in bestimmten Fällen kann man einen stark hörbeeinträchtigten oder gehörlosen Menschen mit Hilfe eines künstlichen Innenohrs – man nennt das Cochlea-Implantat – hörend machen.

Möglich ist das, wenn die Haarzellen im Innenohr defekt sind, der Hörnerv aber noch Signale übermitteln kann. Medizin und Technik haben in diesem Bereich grosse Fortschritte gemacht. Das Chochlea-Implantat verhilft betroffenen Kindern und Erwachsenen dazu, erstmals oder wieder zu hören. 
(Dr. J. Vavrina)

(Lesen Sie unten weiter …)

Weitere Informationen zum Thema Hören

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6. «Menschen mit Hörschwächen haben oft auch Gedächtnisprobleme»

Das stimmt. Schwerhörigkeit führt zu einer Abnahme von kognitiven Fähigkeiten. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass schlechtes Hören mit einem schnelleren Fortschreiten der Altersdemenz einhergeht. Es ist daher wichtig, bei einem gewissen Ausmass an Schwerhörigkeit möglichst früh Hörgeräte anpassen zu lassen und gegebenenfalls auch mit Verständigungstraining das Sprachverstehen zu erhalten.

Sind einmal Hörverlust und Altersdemenz fortgeschritten, ist das Wiedererlernen des Sprachverstehens sehr schwierig. In den gleichen Studien wurde übrigens auch belegt, dass eine rechtzeitige Versorgung mit einem Hörsystem die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, verringert.
(Dr. J. Vavrina)

7. «An Lärm gewöhnt man sich»

Ja, es gibt einen gewissen Gewöhnungseffekt. Wer zum Beispiel an einer lauten Strasse oder Bahnlinie wohnt, wird den Verkehr mit der Zeit weniger wahrnehmen. Mittels Gewöhnung kann der Körper Stressauslöser wie einen lang andauernden oder übermässigen Lärm abschwächen. Dennoch hat andauernder Lärm negative Auswirkungen auf die Gesundheit, vor allem wenn dadurch auch der Schlaf gestört ist. Herz-Kreislauf-Krankheiten, Müdigkeit, Depressionen und verminderte Leistungsfähigkeit bei Schulkindern können die Auswirkungen sein.
(Dr. J. Vavrina)

8. «Kopfhörer können das Gehör schädigen»

Nicht die Kopfhörer selbst sind entscheidend, sondern welche Lautstärke bei den Ohren ankommt. Je lauter der Sound, desto mehr Schalldruck kommt an das Innenohr. Bei Bügel-Kopfhörern ist mehr Luft zwischen Hörer und Trommelfell, damit ist die Lautstärke automatisch geringer. Bei den Ohr-Steckern ist der Schall etwas intensiver. Unabhängig von den Kopfhörern kommt es aber immer darauf an, wie laut wir aufdrehen.
(B. Knoth)

9. «Telefonieren mit Handy am Ohr schädigt das Gehör»

Nein, es gibt keine Belege dafür, dass Mobilfunkstrahlen oder der thermische Effekt, wenn wir das Gerät lange am Ohr halten, einen Einfluss haben. Handy oder Kopfhörer am Ohr ist akustisch betrachtet dasselbe. Ob wir das Handy flach vor den Mund oder ans Ohr halten, ist individuell. Manche Menschen hören besser über Lautsprecher, andere über die Ohrmuschel.
(B. Knoth)

10. «Ein Hörverlust bedeutet, dass man gar nichts mehr hört»

Fakten und Zahlen
  • Ab 40 dB Risiko von Konzentrationsstörungen, ab 65 dB Risiko von Lärmerkrankungen
  • Zulässige Einwirkungszeit/Woche ohne Gehörschutz: 85 dB 40 Std./Woche, 90 dB 20 Std./Woche, 95 dB 6 Std./Woche, 100 dB 2 Std./Woche, 106 dB 30 Min./Woche, 111 dB 10 Min./Woche,
  • 125 dB: Schmerzgrenze

Quellen: Suva, Suva Freizeitsicherheit, Lärmorama, Lärminfo

Nein, das stimmt nicht. Es gibt verschiedene Arten von Hörverlust. Hörverlust heisst, dass man verschiedene Frequenzteile nicht mehr hört. Weit verbreitet ist der Hochtonverlust: Man hört zwar viel, verliert aber die oberen Frequenzen, und das Sprachverstehen wird immer schwieriger. In diesem Fall fehlen einem Konsonanten wie etwa «S» oder «F».

«Ich höre, aber ich verstehe es nicht mehr», sagen Betroffene dann oft. Generell kann Hörverlust durch eine Störung im Aussen-, Mittel-, Innenohr und hinter dem Innenohr verursacht werden und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Hörverlust ist individuell.
(B. Knoth)

(Fortsetzung weiter unten…)

11. «Nur starke Hörverluste müssen behandelt werden»

Falsch. Selbst leichter Hörverlust kann unbehandelt in kurzer Zeit zu Schwierigkeiten führen. Der Prozess ist schleichend. Verliert man einzelne hohe Töne, dann muss das Gehirn kompensieren. Das ist anstrengend. Wird der Verlust stärker, verlieren wir nach und nach die Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten. Das Sprachverstehen nimmt ab. Je länger wir zuwarten, desto mehr kommt es zu einer Hörentwöhnung. Das wiederaufzubauen ist schwierig und langwierig.

Durchschnittlich vergehen vom Beginn des Hörverlusts bis zum ersten Hörgerät bis zu 7 Jahre. Das ist zu lange. Ärzte und Fachleute empfehlen, den Hörverlust so früh wie möglich zu behandeln, um das Sprachverstehen und das Empfinden von normalen Geräuschen zu bewahren.
(B. Knoth)

12. «Kinder hören höhere Töne besser als Erwachsene»

Grundsätzlich trifft das auf viele Kinder mit einem gesunden Gehör zu. Das liegt aber nicht daran, dass ihr Ohr anders ausgeprägt ist. Sondern dass sie in ihrem Alter noch wenig schädigenden Einflüssen ausgesetzt waren.
(B. Knoth)

13. «Am Abend hören wir schlechter als am Morgen»

Da ist was dran. Generell schwankt das Hören im Laufe des Tages. Denn die Verarbeitung der Impulse geschieht im Gehirn. Auch das Gehirn braucht Pausen, deshalb bricht manchmal die Konzentration weg. Gerade am Abend muss man sich stärker konzentrieren. Deshalb haben wir am Ende des Tages manchmal das Gefühl, wir verstehen schlechter. Dieser Effekt wird durch einen unversorgten Hörverlust verstärkt.  

Die Ursache kann aber auch im Ohr selbst liegen: Bei einer Lärmbelastung über 85 dB(A) während mehr als acht Stunden ohne Gehörschutz werden die Haarzellen abgeknickt. Wir verlieren temporär rund 20 dB(A) bei den hohen Frequenzen. Erst nach 16 Stunden Ruhe erholen sich die Haarzellen wieder.
(B. Knoth)

Wie laut ist was?

Art von Geräusch Schallpegel in Dezibel(A)

Atmung

10–25 dB(A)

Tropfender Wasserhahn

20 dB(A)

Blätterrascheln

20–35 dB(A)

Flüstern

20–35 dB(A)

Kühlschrankgeräusch

40 dB(A)

Stimme/normale Unterhaltung

40–65 dB(A)

Staubsauger/Föhn

70–75 dB(A)

Starker Strassenverkehr

70–85 dB(A)

Geige am Ohr des Musikers

80–90 dB(A)

Rasenmäher

85–90 dB(A)

Tanzfläche Club/Disco

90–100 dB(A)

Rockkonzert

90–110 dB(A)

Blaulicht-Sirene, 10 m entfernt 

100–120 dB(A)

Motorkettensäge

105 dB(A)

Startendes Flugzeug

120–130 dB(A)

Platzender Luftballon, ganz nah

130 dB(A)

Mündungsknall Sturmgewehr

140–160 dB(A)

Feuerwerk, ganz nah 140–170 dB(A)

von Petra Koci,

veröffentlicht am 15.12.2020, angepasst am 10.12.2021


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