Über 60 Prozent der Menschen leiden unter Rückenschmerzen. In der Regel sind diese harmlos und klingen schnell wieder ab, ein Arzttermin erübrigt sich. Bei anhaltenden Schmerzen ist jedoch eine aktive Vorgehensweise angebracht: Sport und Fitness helfen.
Rückenschmerzen plagen nicht nur rund zwei Drittel der Bevölkerung, mindestens ein Mal jährlich. Auch das Gesundheitssystem leidet darunter: In der Schweiz verursachen Rückenschmerzen jährlich Kosten in Milliardenhöhe.
Würde man an einem Bahnhof herumfragen, könnten wohl fast alle von Schmerzen im unteren Rücken in den letzten zwei Jahren berichten. Besonders gross ist das Risiko bei Feuerwehrleuten, Waldarbeitern und Pflegefachpersonen. Denn in diesen Berufen kommen körperliche Belastungen und Stress zusammen.
Rückenschmerzen sind vergleichbar mit Schnupfen: Sie sind häufig und klingen innert zwei bis drei Wochen spontan ab. Rückenschmerzen gehören zum Leben, sind in der Regel jedoch harmlos. Im Winter treten Rückenschmerzen etwas häufiger auf. Das kann damit zu tun haben, dass sich bei Kälte die Muskeln anspannen und wir Schmerzen generell stärker wahrnehmen. Und viele bewegen sich dann auch weniger.
Eine Diagnose zu stellen, ist oft nicht möglich. Die Beschwerden sind meist unspezifisch und lassen sich auf keine strukturelle Ursache am Bewegungsapparat zurückführen. Nur bei etwa 5 bis 10 Prozent der Betroffenen findet man eine direkte körperliche Ursache für die Beschwerden.
Etwa eine Irritation der Ischias-Nervenwurzel. Bei älteren Menschen kann auch eine Spinalkanalstenose zu Schmerzen, gebückter Haltung und Einschränkungen beim Gehen führen. Dabei handelt es sich um eine Verengung im Durchgang, wo die Spinalnerven seitlich zwischen den Wirbelkörpern hervortreten. Weitere Ursachen sind Brüche in den Wirbelkörpern – oft infolge eines Unfalls oder Osteoporose – oder Entzündungen.
Psychische Probleme wie etwa Depressionen sind zwar keine direkten Ursachen für Rückenbeschwerden. Doch es gibt wohl einen gemeinsamen Hintergrund. Zum Beispiel weiss man, dass beides bei wenig gebildeten Personen häufiger vorkommt. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sie sich weniger bewegen, schlechter ernähren, häufiger übergewichtig sind und über weniger Kompetenzen der Selbstwirksamkeit verfügen. Das heisst: Sie spüren sich selber weniger gut und sind eher ängstlich. Wer jedoch daran glaubt, schwierige Situationen meistern zu können, ist generell weniger krankheitsanfällig.
Nein, auf keinen Fall. Viel besser ist es, wenn man versucht, sich trotz Schmerzen normal zu verhalten: Herumgehen, leichte Haushaltsarbeiten erledigen und wenn möglich sogar arbeiten. Selbst wer sich am Arbeitsplatz krankgemeldet hat, sollte höchstens drei Tage im Bett liegen und zwischendurch immer mal wieder aufstehen. Sonst besteht das Risiko, dass sich die Beschwerden verschlimmern.
Rezeptfreie Medikamente wie etwa Panadol oder Dafalgan haben eine sehr geringe Wirkung bei Rückenschmerzen. In verschiedenen Studien haben sie nicht besser abgeschnitten als Placebos (Schein-Medikamente). Nur entzündungshemmende Mittel – zum Beispiel Voltaren oder Ponstan – haben sich als leicht besser erwiesen. Diese sind aber rezeptpflichtig. Man müsste also vorher einen Arzt konsultieren.
Nicht unbedingt. Denn Ärzte können meist nicht viel ausrichten. Bei 90 Prozent der Betroffenen heilen die Beschwerden nach einer bis drei Wochen von selber wieder ab. Rückenschmerzen sind wie Schnupfen: Sie kommen und gehen wie von selbst. Man kann höchstens die Heilung ein wenig unterstützen – zum Beispiel mit Übungen oder moderater Bewegung, aber eine eigentliche wirksame Behandlung gibt es nicht.
Das heisst, dass mit weiterführenden Untersuchungen zugewartet werden kann. Der grosse Teil aller Rückenschmerzen ist funktionell bedingt und muss entsprechend untersucht werden. Medizinische Untersuchungen wie Röntgenbilder oder MRI lassen keine Unterscheidung zwischen Gesunden und Personen mit Rückenschmerzen zu.
Ein MRI wird leider viel zu häufig gemacht – oft auch auf Druck der Betroffenen. Diese Untersuchung macht gesunde Menschen zu Patienten. Denn bereits im Alter von 40 Jahren findet man bei jeder zweiten Person etwas Sichtbares, zum Beispiel einen Bandscheibenschaden. Dies muss aber noch lange nicht die Ursache der Beschwerden sein. Es gibt Menschen, die leben jahrelang mit relativ deutlichen Auffälligkeiten, ohne etwas davon zu spüren.
Bandscheibenschäden beispielsweise sind bei schmerzfreien Personen gleich häufig zu erkennen wie bei Personen mit Rückenschmerzen. Alle Befunde, die man hat, seien es degenerative Befunde, Abnützungsbefunde oder Diskushernien, können auch Personen haben, die keine Rückenschmerzen haben. Das ist wie mit grauen Haaren – manche haben sie, andere nicht –, und es besteht kein Zusammenhang mit Kopfschmerzen.
Gerade der Bandscheibenvorfall – in der Fachsprache Diskushernie – gehört zu den unspezifischen Diagnosen. Sobald man einen Befund vor Augen hat, fühlt man sich krank und glaubt, der Rücken sei nun kaputt. Dies kann eine Negativspirale in Gang setzen.Wenn die Schmerzen nach zwei Wochen immer noch anhalten, sollte man sich untersuchen lassen. Und bei Symptomen wie Lähmungserscheinungen in den Armen oder Beinen, Taubheitsgefühl oder plötzlicher Inkontinenz muss man sofort zum Arzt gehen.
Bei einer klaren Diagnose kann eine Operation tatsächlich sinnvoll sein. Ich rate aber dazu, vorher eine Zweitmeinung einzuholen. Studien haben gezeigt, dass in der Schweiz bis zu 30 Prozent der medizinischen Behandlungen überflüssig sind. Besonders gefährdet sind Privatversicherte, weil sie finanziell interessant sind. Bei der Operation der Spinalkanalstenose – der häufigste Eingriff am Rücken – haben Forschende häufig keinen Unterschied zur physiotherapeutischen Behandlung festgestellt.
Studien haben ergeben, dass sich die Behandlung mit Physiotherapie und Rückenübungen langfristig positiv auf Rückenleiden auswirkt. Die Ergebnisse dieser Behandlungen sind gut und günstig. Spritzen muss man nur selten setzen, ein operatives Vorgehen bleibt der letzte Ausweg.
Bei anhaltenden Rückenschmerzen ist eine aktive Vorgehensweise angebracht. Das kann Sport oder Fitnesstraining sein. Für einen nachhaltigen Effekt empfiehlt sich ein aktives Übungs- und Trainingsprogramm mit einem Physiotherapeuten, zum Beispiel im Rahmen einer medizinischen Trainingstherapie (MTT). So können Sie sich schrittweise die optimale Ausführung aneignen. Mit einer ärztlichen Verordnung werden die Kosten durch die Krankenkasse übernommen.