Dehnen an der Ampel, dehnen auf der Bank – dehnen, wo immer und wann immer es geht. Hilft Stretching besser zu regenerieren? Und sollte man besser vor oder nach dem Training dehnen? Wir klären auf.
Dehnübungen nach dem Training könnten zur mentalen Entspannung beitragen und dabei helfen, nach einer intensiven Einheit zur Ruhe zu kommen.
Anders als früher angenommen, sollten statische Dehnübungen nicht vor jedem Training eingesetzt werden. Bei Sportarten mit grosser Krafteinwirkung – zum Beispiel Fussball oder Skifahren – können sie kontraproduktiv sein, da die Leistung leicht abnimmt und die Muskeln anfälliger für Verletzungen werden. Dynamisches Dehnen ist in solchen Fällen die bessere Wahl. Auch bei Sportarten wie Turnen oder Hürdenlauf gehören dynamische Dehnübungen vor dem Training meistens dazu, weil sie die benötigte Beweglichkeit fördern.
Statisches Dehnen wird vor allem nach dem Sport empfohlen – speziell nach einseitigen Belastungen. Beim Fussballspielen oder Velofahren wird zum Beispiel vor allem der grosse, vordere Oberschenkelmuskel (Quadrizeps) beansprucht. Dehnübungen können dabei helfen, dass sich der Gegenspieler – in diesem Fall der Beinbeuger – nicht verkürzt oder verhärtet.
«Wer seinen Muskeln etwas Gutes tun möchte, sollte sich auch um seine Faszien kümmern», erklärt Irène Brechbühl, sportliche Leiterin des Fitnessparks Allmend in Luzern. Sie versorgen die Muskeln nämlich mit Nährstoffen und transportieren Abbaustoffe weg. Wenn sie regelmässig mit einer Faszienrolle gelockert werden, können Verklebungen gelöst werden.
Dynamische Dehnübungen (Schwunggymnastik) eigenen sich vor allem für vor dem Training – wenn du deine Muskeln auf eine Belastung vorbereiten willst. Sie lockern und aktivieren die Muskulatur und fördern die intermuskuläre Koordination. Statische Dehnübungen (Stretching) hingegen, sind besser geeignet für nach dem Training oder an trainingsfreien Tagen. Oder zum Beispiel auch wenn du deine Beweglichkeit abends vor dem Fernseher trainieren möchtest.
Man sollte natürlich einen Dehnschmerz spüren, aber er sollte gut aushaltbar sein.
Beim statischen Dehnen nimmst du die korrekte Ausgangsstellung ein und dehnst dich langsam und kontinuierlich. Forciere nichts. Halte die Position auf jeder Seite für mehrere Sekunden – nicht wippen dabei. Atme ruhig und regelmässig. Konzentriere dich auf die jeweilige Muskelgruppe.
Gut zu wissen: Es ist umstritten, für wie viele Sekunden eine statische Dehnübung tatsächlich gehalten werden soll. Teilweise wird von 15, teilweise von bis zu 60 Sekunden gesprochen. Versuche am besten selbst herauszufinden, welche Dauer für dich angenehm ist und dir bei der Erreichung deines Ziels hilft. «Man sollte natürlich einen Dehnschmerz spüren, aber er sollte gut aushaltbar sein», ergänzt die Expertin.
Beim Dynamischen Dehnen bewegst du dich aktiv mit – für etwa 10 bis 20 Sekunden pro Übung. Du kannst auch gewisse statische Dehnübungen dynamisch gestalten. In diesem Fall wippst du einfach mit. Das heisst, die Bewegung wird bei jeder Wiederholung etwas grösser.
Wenn du deine Wadenmuskeln statisch dehnen möchtest, stellst du dich dafür auf eine kleine Erhöhung. Dann lässt du die Ferse des hinteren Beins, welches gedehnt werden soll, nach unten sinken, so dass du nur noch mit dem Vorfuss auf der Erhöhung stehst.
Wenn du diese Übung hingegen dynamisch ausführen möchtest, lehnst du dich nach vorne an eine Wand. Danach streckst und beugst du abwechseln die Fussgelenke. Deine Ferse wird dabei in den Boden gedrückt und wieder angehoben.
Nimm dir genügend Zeit für jede Dehnübung. Im ersten Moment zieht sich nämlich der Muskeln zusammen. «Wenn das Gehirn registriert, dass der Muskel in die Länge gezogen wird, erteilt es erst mal den Befehl, die Spannung zu erhöhen», erklärt Brechbühl. «Damit will es den Muskel vor Verletzungen schützen.» Erst nach etwa 30 Sekunden wird der Reiz vertraut und die Spannung lässt nach.
Nein. Dehnen fördert in erster Linie die Beweglichkeit. Wer nach einem intensiven Training direkt zu Dehnübungen übergeht, kann den Muskelkater eher noch verstärken. Denn: Nach dem Training weisen die Muskelfasern kleinste Risse auf. Dehnübungen setzen die Muskeln einer zusätzlichen Zugbelastung aus.
Anders als früher angenommen, werden die Muskeln durch regelmässiges Dehnen nicht verlängert. Es findet dabei keine strukturelle Veränderung des Muskels statt. Stattdessen führen regelmässige Dehnübungen dazu, dass die Toleranz des Nervensystems gegenüber dem Reiz resp. Schmerz des Dehnens gesteigert wird. Das heisst, der Muskel wird flexibler und beweglicher, aber nicht länger.
Übrigens: Die Beschwerden einer Verkürzung behebst du am besten, indem du den Gegenmuskel (Antagonist) gezielt aktivierst und kräftigst .
Nein, die Dehnfähigkeit von Natur aus ist nicht bei allen gleich. Deshalb solltest du das Dehnprogramm und die Ziele immer an deine individuelle Dehnfähigkeit anpassen. Und sei dir bewusst: Dehnen braucht Zeit und es kann Wochen oder Monate brauchen, bis du deine Dehnfähigkeit merklich verbesserst.