Den Alltag hinter sich lassen und mit allen Sinnen in den Wald eintauchen – das bedeutet Waldbaden, oder japanisch Shinrin Yoku. Dass der achtsame Aufenthalt zwischen Bäumen Stress reduziert und die Gesundheit fördert, ist wissenschaftlich erwiesen. Hier erfährst du, was es beim Waldbaden zu beachten gilt.
Mit allen Sinnen tief in den Wald eintauchen – das ist Waldbaden oder Shinrin Yoku. In der Regel unternimmt man dabei einen sehr langsamen, achtsamen Spaziergang, bei dem man Farben, Licht und Schatten sowie Gerüche bewusst wahrnimmt, Blätter, Baumstämme und Wurzeln spürt, barfuss geht und nach Geräuschen wie Blätterrascheln oder Wind horcht. Dabei geht es stets darum, sich zu erholen und Energie zu tanken. «Dem Waldbaden wird eine stressreduzierende und gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt», erklärt Martina Föhn, Waldachtsamkeitstrainerin und Forscherin an der ZHAW.
Dies ist der japanische Begriff für Waldbaden. Die Aktivität ist in den 80er-Jahren in Japan entstanden, einem Land mit einem sehr hohen Waldanteil. Populär gemacht hat sie der Arzt Prof. Dr. Qing Li von der Nippon Medical School. Der Immunologe konnte zusammen mit dem Umwelt-Gesundheitsforscher Prof. Dr. Yoshifumi Miyazaki verblüffende gesundheitliche Wirkungen nachweisen. Er hält Vorträge und hat Bücher darüber geschrieben. In Japan ist Waldmedizin als Gesundheitsprävention staatlich anerkannt. An japanischen Universitäten wird die Therapie sogar als fachärztliche Spezialisierung angeboten.
Der Aufenthalt im Wald kann die Aktivität des Herzes, des Nervensystems und der Atmung verbessern. Zudem soll das Waldklima:
Lange galt Waldbaden als Humbug aus der esoterischen Ecke. Doch die Forschung von Waldmediziner Qing Li und seinem Team zeigt, dass beim Aufenthalt im Wald das Stresshormon Cortisol abnimmt, die Atmung tiefer und ruhiger wird, die Herzfrequenz sinkt und die Muskeln sich entspannen und sogar vermehrt Proteine gebildet werden, welche das Krebsrisiko senken. In einer Studie konnten die Effekte sogar mehr als 30 Tage später noch nachgewiesen werden.
Es muss erst noch erforscht werden, welche Wirkung der Schweizer Wald auf die Gesundheit hat.
Die gesundheitsfördernde Wirkung ist einer Mischung von Faktoren geschuldet. Eine wichtige Rolle spielen wahrscheinlich die sogenannten Terpene. Dabei handelt es sich um den Hauptbestandteil der von Pflanzen produzierten ätherischen Öle. Sie werden von den Bäumen an die Luft abgegeben und dienen als Lockmittel für Insekten, als Abwehrmittel gegen Bakterien oder zur Kommunikation untereinander. Die Duftstoffe werden auch für kosmetische Produkte verwendet und sind für die Pharmakologie von Interesse. Die Konzentration von Terpenen ist im Frühling und Sommer grösser als im Winter, weil die Vegetation dann üppiger ist und die Wärme die Verdampfung beschleunigt.
Das Fazit der Forscherin: «Es muss erst noch erforscht werden, welche Wirkung der Schweizer Wald auf die Gesundheit hat.»
Neben den olfaktorischen Reizen spielen aber auch akustische und optische Reize eine wichtige Rolle. Nachgewiesen ist zum Beispiel:
Noch stärker zeigen sich diese Effekte in einer natürlichen Umwelt als in einem Park, wie eine noch nicht publizierte, von Martina Föhn geleitete Studie ergeben hat. Die ZHAW-Forschenden haben Probandinnen und Probanden je 15 Minuten in einer natürlichen Umgebung, einem künstlich geschaffenen Park mit ähnlichen Strukturen und einem neutralen Raum in einem Gebäude verweilen lassen. Im ersten Setting sank dabei die Herzfrequenz am stärksten und die Teilnehmenden gaben ihre Stimmung am positivsten an.
Bei einem Waldbad rührt der Abbau von Stress aber wahrscheinlich nicht nur von den Sinnesreizen her, sondern mindestens so sehr von der Entschleunigung und den Achtsamkeitsübungen, die meist dazugehören. Die ursprünglich aus dem Buddhismus stammende Praktik fördert die Wahrnehmung der Umgebung und des eigenen Körpers sowie die Konzentration auf das Hier und Jetzt. Ihre gesundheitsfördernde Wirkung ist wissenschaftlich nachgewiesen. «Wahrscheinlich ist es die Kombination von Waldklima und Achtsamkeit, welche den positiven Effekt ausmachen», sagt ZHAW-Forscherin Martina Föhn.
Jede Person kann das ausprobieren, um ihr Wohlbefinden zu steigern und die Gesundheit zu fördern. Einzelpersonen können in Workshops erste Erfahrungen mit dem Ertasten von Baumstämmen und Betrachten von Moosen und Flechten machen. Die Methode stösst zudem im psychotherapeutischen Bereich vermehrt auf Interesse. Diverse Institutionen bieten gut besuchte Ausbildungsgänge an. Auch Tourismusorganisationen heben die Wirkung des Waldbadens in ihrer Region hervor. Die Schweiz ist reich an Wäldern, einige davon stechen mit ganz besonderen Eigenschaften hervor, die auch das Waldbaden noch intensiver machen können.
Eine strenge Anleitung gibt es in dieser Praktik nicht. Idealerweise besucht man als erste Erfahrung ein geleitetes Angebot. Wer es lieber allein ausprobiert, kann sich an folgende Tipps halten:
Im Prinzip tut jeder Spaziergang und jede sportliche Betätigung in der Natur gut. Falsch machen kannst du also sicher nichts, wenn du Waldbaden auf eigene Faust ausprobierst. Noch intensiver könnte das Erlebnis allerdings ausfallen, wenn du dich einer Gruppe mit einer erfahrenen Leitung anschliesst, die verschiedene Techniken aufzeigt. Gerade für Menschen mit wenig Zeit und Geduld ist es so oft leichter, sich ganz darauf einzulassen.