Die japanische Tradition «Waldbaden» hat auch bei uns längst Fuss gefasst. Worum es dabei geht.
Die Japaner nennen es «Shinrinyoku» und bei dieser Art von Bad, geht es darum sich im Wald zu erholen und Energie zu tanken.
Waldbader lustwandeln im Wald, langsam, schlendernd, schauen in die Blätterflut der Baumkronen, berühren Kräuter am Boden und legen mit Tannzapfen und Hölzchen Herzen auf den Waldboden. Vielleicht dekorieren sie mit den sorgsam gesammelten Früchten des Waldes ihren Arm mit einem «Waldtattoo» oder üben Achtsamkeit angesichts eines Ameisenhaufens. Wofür ein Jogging-Grüppchen fünf Minuten braucht, nehmen sich Waldbader unter Umständen zwei Stunden Zeit. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf Farben, Düfte, Geräusche und Beschaffenheit des Waldes. Sie tauchen voll und ganz mit allen Sinnen in den Wald ein, wie es das Wort Waldbaden suggeriert. Der Trend aus Japan ist längst auch bei uns angekommen. Dabei geht es darum, sich im Wald zu erholen und Energie zu tanken.
Dass sich Waldbaden in der Schweiz etabliert hat, beweisen zahlreiche Angebote für Interessierte und Ausbildungen zum Waldbaden-Lehrer. Dabei stehen Achtsamkeit, Wohlbefinden und Eigenverantwortung im Vordergrund. Auch in Tourismusregionen mit besonders schönen Wäldern und Landschaften – etwa im Aletschwald im Wallis – hat die japanische Tradition Fuss gefasst.
Populär gemacht hat das Waldbaden Qing Li, der das «Shinrin-Yoku» an der Nippon Medical School in Tokio erforscht. Kurze Waldspaziergänge sind für Japaner seit Jahrhunderten gang und gäbe. Wen wundert's, denn Japan ist nach Finnland das Land mit dem weltweit grössten Waldanteil.
Seit Jahrzehnten erforscht Qing Li die positive Wirkung des Waldes auf den Menschen, etwa auf das Immunsystem. Dreh- und Angelpunkt sind dabei die so genannten Terpene.
Terpene sind Hauptbestandteil der in Pflanzen produzierten ätherischen Öle. Sie sind zwar für die Pharmakologie von Interesse, ihre biologischen Funktionen sind aber noch nicht lückenlos erforscht.
Nimm dir 15 Minuten Zeit für einen Spaziergang durch den Wald. Zähle die Grünnuancen. Rieche den moosigen Boden oder die Blüten? Atme tief ein, das wirkt wie eine Aromatherapie.
«Vor allem aus dem asiatischen Raum gibt es seit Längerem Forschung zur Wirksamkeit von Terpenen, welche die Bäume an die Luft abgeben. Die Forschung hierzu steht in Europa aber noch ziemlich am Anfang und die Ergebnisse aus Asien lassen sich aufgrund anderer Baumarten in unseren Wäldern nicht ohne Weiteres übertragen», sagt Nicole Bauer, Umweltpsychologin an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Anders in Japan: Dort ist Waldmedizin als Gesundheitsprävention staatlich anerkannt und wird unterstützt. Seit 2012 wird sie sogar an japanischen Universitäten als fachärztliche Spezialisierung angeboten.
Dass der Wald uns guttut, steht auch für Nicole Bauer ausser Frage. Im Interview mit iMpuls sagt sie: «Wir haben in einer Studie die Stimmung von Personen vor und nach einem 30-minütigen Waldspaziergang erfasst.» Fazit: Nach dem Spaziergang im Wald waren alle viel positiver unterwegs als vorher. «Auf der körperlichen Ebene ist bekannt, dass sich nach dem Aufenthalt in der Natur oder im Wald die Konzentrationsfähigkeit verbessert, der Blutdruck sinkt und die Konzentration von Stresshormonen, wie etwa Cortisol, im Speichel zurückgeht.»
Wir alle wissen es grundsätzlich aus eigener Erfahrung: Spazieren im Wald tut gut. Los geht’s! Aber bitte langsam und mit Bedacht ...