Wir zeigen dir Highlights in 6 Schweizer Städten, die sich hervorragend zu Fuss erkunden lassen. Die kulturellen und architektonischen Höhepunkte lassen sich wunderbar mit etwas Bewegung kombinieren.
Unser erster Halt zum Flanieren ist Winterthur. «Langsam», mahnt die Schrift auf dem blauen Schild am Lagerplatz. Es stammt aus der Zeit, als hier die Schmalspurbahn noch auf den Schienen im Pflasterstein rollte. Heute ist das grösste zusammenhängende Industrieensemble der Schweiz weitgehend Fussgängerzone.
Langsam schieben wir uns an Industriefassaden aus gelbem Backstein vorbei zum Herzen des Areals mit der Wohnüberbauung Kranbahn. Vor den Haustüren entdecken wir Tonengel und Kindervelos. Wir gehen vorbei an einer der ehemaligen Giessereihallen, wo einst riesige Schmelzöfen glühten. Die hohen Fabrik-Rundbogenfenster, die an eine Kathedrale erinnern, gewähren Einblicke in modern gestylte Büros mit orangen oder limettengrünen Wänden. Ein paar Schritte weiter treten wir ein in die nächste Halle, die als Parkhaus dient.
Welch filmreife Kulisse, dieser hohe Raum mit den mächtigen Eisenträgern und Kranschienen unter der gläsernen Decke. «Nevergiveupdreaming» hat da jemand an die Wand gesprayt – auch zum Tagträumen wird man im urbanen Sulzer-Mikrokosmos inspiriert.
Nur wenige 100 Meter vom Bahnhof Solothurn entfernt, schlendert die Stadtspaziergängerin bereits der ruhig dahinfliessenden Aare entlang – mit Blick auf Solothurn am gegenüberliegenden Ufer. Erstes Ziel ist indes die «Hafenbar», ein beliebter Sommer-Treffpunkt der Solothurnerinnen und Solothurner für Apéros und Gespräche in entspannter Atmosphäre. Erfreulich: Bestellt man unter grossen Baumkronen ein solothurnisches «Öufi»-Bier, steckt man bereits mittendrin in der Geschichte der Stadt. Elf, 11, «Öufi» – die Zahl ist hier Kult. In Solothurn gibt es: 11 Kirchen und Kapellen, 11 Türme und die 11-Uhr. Auf deren Ziffernblatt sucht man vergeblich die Zahl 12.
Die «magische Zahl» prägt auch die Architektur der St. Ursen-Kathedrale, das Wahrzeichen der wohl schönsten Barockstadt der Schweiz. Der Aufgang zum Tor besteht aus 3 mal 11 Stufen, im Turm läuten 11 Glocken, 11 Jahre dauerte die Bauzeit von 1762 bis 1773. Aufmerksame Besuchende erkennen auch, dass die Anzahl Pfeifen der grossen Orgel im Kircheninnern durch 11 teilbar ist ...
Der Kult um die Zahl wurzelt in der Vergangenheit: Der heutige Kanton Solothurn war zwischen 1344 und 1532 in 11 Vogteien aufgeteilt. 11 zum Teil alte Brunnen, an denen die Frauen früher Wäsche wuschen, sind in der Stadt zu entdecken. Die ehemalige Bischofs- und Ambassadorenstadt lebt eine lange Fasnachtstradition. Wie wohl eine der ältesten Zünfte heisst?
Während eines Rundganges durch die barocke Altstadt mit den verwinkelten Gassen spazieren Besucherinnen und Besucher an barocken Gebäuden, Läden und Beizen vorbei. Sie streifen den erhaltenen Stadtmauern mit den vier Stadttoren entlang und machen Halt beim Zeitglockenturm mit dem astronomischen Uhrwerk. Sternen-Öufi – diese Stadt ist einen Besuch wert.
Stadt in Sicht: Der Hafenrundgang beginnt erst einmal aus der Vogelperspektive – von der Aussichtsplattform auf dem Bernoullisilo aus braunem Backstein. Rund herum ein Häusermeer, Fabrik- und Kirchtürme, Wohnblocks, in der Nähe auch Silos, die in die Luft ragen, wo einst Weideland war und Obstbäume wuchsen. Der Blick fällt in die Tiefe, weit unten wird im Hafenbecken 1 der Frachter «Amigos» entladen. Blaue und graue Krangreifer schaufeln Getreide von Bord.
Eintauchen ins Areal heisst, auf Pflasterstein der Hafenstrasse entlang zu schlendern. Den Kopf muss man hier ganz in den Nacken werfen, um an den Fassaden der Silos hochblicken zu können. Und dann wie eine Insel im Industrieland die graue Häuserzeile des Ostquais. Sie ist längst zu Ateliers und Kulturraum umfunktioniert worden.
Im Hof spriesst Grün in Blumentöpfen, mittendrin steht aufgebockt ein rotes Motorboot. Man könnte jetzt einfach andocken im Restaurant «Zum rostigen Anker», dessen Winterpause im März endet, könnte den Greifern des rot-blauen FCB-Krans zuschauen oder den gelben Containerarmen. Oder man navigiert weiter, entlang der Drahtzaun-grenze zu Deutschland mit dem schmalen Grünstreifen, wo der Zöllner Blumen und Yukkapalmen pflegt. Seine drei roten Giesskannen hängen am Strauch. Dann schwebt man auf der neuen Fussgängerbrücke über dem Wasser, lässt unter sich den Frachter «Athina» einlaufen, das Containerschiff «Zodiac» vorbeigleiten und zieht auch gedanklich weiter.
In Carouge geht die Zeit langsamer. Das sieht man. Das fühlt man. Das Dorf inmitten der Stadt Genf ist im 18. Jahrhundert stehen geblieben. Selbst die Strassenlampen sind gusseiserne Laternen. Doch halt! Hier ein Zeichen von Moderne: Eine Comiczeichnung auf einer Tafel ruft Hundehalter zur Sauberkeit auf. Und ein Graffiti auf einer Garage: «Street Soul».
In harmonischem Rhythmus säumen dreistöckige Häuserfassaden die Strassen, alle mit hölzernen Fensterläden und grossen Rundfenstern, die früher Toreingänge zu den Werkstätten waren. Man sieht Ladenbesitzer durch die Fenster bei der Arbeit: den Uhrmacher hinter seinen riesigen Pendeln. Die Seifenmacherin in der eigenen Küche. Die Weberin, den Buchbinder, den Töpfer. Wer kann widerstehen vor der Auslage des Maître Chocolatier Pascoët, dessen dunkle Pralinen auf Stoff drapiert sind wie Juwelen? Wer schmunzelt nicht ob den als bunte Gesichter genähten Handtaschen des Ledermachers? Carouge bleibt als lieblicher Anblick im Gedächtnis.
So leicht ist das Entschweben. Mit der kleinen blauen Seilbahn gleitet man die Bergflanke über Bellinzona hinauf und lässt die Magadinoebene, die Autobahn und die Burgen unter sich. Wir lassen uns zur archaischen Alpsiedlung Curzùtt tragen. Stein auf Stein, Gneis auf Schiefer wurden die Rustici im traditionellen Stil als Jugendherberge wieder aufgebaut.
Einst war hier das ursprüngliche Zentrum von Monte Carasso, heute spaziert man unter Kastanienbäumen, der hektischen Umwelt weit entrückt. Entspannt steigt man dann auf Saumpfaden in die Ebene hinunter. Hinunter zum Areal des ehemaligen Augustinerinnenklosters, das der Architekt Luigi Snozzi zur Schule und zum Gemeindezentrum umgestaltet hat.
Für dieses Projekt erhielt die Gemeinde den Wakkerpreis sowie den Preis für urbanistisches Design des Prinzen von Wales. Wand an Wand mit dem Kirchenschiff tritt man auf hellem Parkett durch den neuen Konferenzraum, einen lang gezogenen Betonkubus, angesetzt auf die historische Substanz des Hauptbaus mit den typischen Rundbögen. Im Kreuzgang schlendert man weiter wie früher die Schwestern, in Gedanken versunken. Die Rückkehr in den weltlichen Alltag ist dann etwas abrupt, aber sie duftet gut: nach einer kleinen Espresso-Bar in der Klosterecke.
Rund 13 000 Treppenstufen führen in St. Gallen auf die stadtnahen Hügel. Sie eignet sich deshalb wie keine zweite dafür, das Angenehme – schöne Aussicht und Stiftsbibliothek – mit dem Nützlichen zu verbinden: fit mit Treppensteigen.
Die über die Grenzen hinaus bekannte Attraktion der Stadt ist der Stiftsbezirk mit Kathedrale und Stiftsbibliothek, beides seit 1983 UNESCO-Weltkulturerbe.
Jetzt aber gehts im gemütlichen Spaziertempo vorbei am berühmten Kloster, bis nach wenigen Minuten die Untere Mühlentreppe auftaucht – der Ausgangspunkt des heutigen Tages. Sie ist aus Holz und führt in verschiedenen Etappen auf eine Anhöhe an den Hängen des Freudenbergs. Dort liegen die stadtbekannten «Drei Weieren» mit idyllischem Badehäuschen. Im Sommer ein beliebter Treffpunkt für die St. Gallerinnen und St. Galler, die schwimmen, die Sonne geniessen und picknicken. Die Pause ist willkommen, die Aussicht auch: Unten liegt die grün umhügelte Stadt mit Blickfang Kloster, in der Ferne der Bodensee. Die Rast tut den Oberschenkeln gut.
Ein eigens geschaffener Stadtplan der «Stägestadt» zeigt, wo sich überall die Treppen und Stufen befinden. Kreuz und quer verlaufen die roten Striche, es wimmelt von Stufen und «Stäge» auf die umliegenden Hügel: 140 öffentliche Treppen, 13 000 Stufen, 68,7 Kilometer und 2954 Höhenmeter kann man auf ihnen zurücklegen. Einer hats gemacht und brauchte dafür 12 Stunden und 20 Minuten – ein Rekord! Gefeiert werden die Stufen am wiederkehrenden «Stägestadt-Tag», eine andere Art, die Ostschweizer Stadt kennenzulernen.
Zum Ausführlichen Bericht: Ausflug in die «Stägestadt» St.Gallen: 5 Treppen und 4 Treppenläufe