Nase oder Mund, Brust oder Bauch? Die richtige Atmung und Atemübungen können dir helfen, dich zu beruhigen, Stress abzubauen und Energie zu tanken.
Die meiste Zeit passiert Atmung automatisch und unbewusst. Dabei können wir die Atmung auch bewusst steuern. Der Körper braucht konstant Sauerstoff, um Energie zu produzieren. Beim Einatmen gelangt Sauerstoff in das Blut und beim Ausatmen wird Kohlendioxid ausgeschieden. Im Alltag atmen wir sehr oft nur oberflächlich. Bewusstes, tiefes Atmen hilft uns, unser Wohlbefinden zu verbessern. Unser Nervensystem hat zwei Hauptsysteme: den Anspannungsnerv (Sympathikus), der bei Stress die Atmung beschleunigt, und den Entspannungsnerv (Parasympathikus), der für Ruhe sorgt und die Atmung verlangsamt. Durch tiefes, ruhiges Atmen aktivieren wir den Entspannungsnerv, senken den Stress und finden innere Ruhe.
«Die Atmung durch die Nase ist gesünder und effizienter», sagt Barbara Spahni, dipl. Atemtherapeutin und Präsidentin des Atemfachverbands Schweiz AFS. «Die Nase ist schliesslich unser Atemorgan und nicht etwa der Mund». Das hat seine Gründe: Bei der Nasenatmung wird die eingeatmete Luft durch die Nasenhaare und die Schleimhäute gereinigt. Verunreinigungen in der Luft gelangen so nicht in die Lunge. Auch wird die Luft erwärmt und befeuchtet und das ist wichtig für eine gesunde Atmung. In den Nasennebenhöhlen wird zudem Stickstoffmonoxid gebildet. Dieses Gas erweitert die Blutgefässe, unterstützt so die Durchblutung und damit die bessere Aufnahme von Sauerstoff in die Lunge und in den Blutkreislauf. Im Gegensatz dazu gelangt die Luft bei der Mundatmung ungefiltert und ohne Erwärmung in die Lunge.
Wenn wir auf die Welt kommen, atmen wir von Natur aus in den Bauch. Diese Fähigkeit verlieren wir aber relativ rasch schon im Kindesalter. Dabei ist die Bauchatmung effektiver als die Brustatmung, weil sie tiefer ist. Bei der Bauchatmung nutzen wir das Zwerchfell, unseren Hauptatemmuskel, was den Atem tiefer in die Lungen bringt. Das ermöglicht eine bessere Sauerstoffversorgung des Körpers. Bei der Brustatmung hingegen arbeitet das Zwerchfell kaum, die Atmung bleibt oberflächlicher.
Die Bauchatmung, bei der die Ausatmung bewusst verlängert wird, fördert eine tiefere Atmung und erhöht die Menge an frischer Luft, die wir einatmen können. Das verbessert die Sauerstoffversorgung des Körpers. Gleichzeitig hilft eine längere Ausatmung, den Körper zu beruhigen und Stress abzubauen. «Man kann sich das wie ein Glas Wasser vorstellen: Ein halbvolles Glas kann nur noch zur Hälfte gefüllt werden. Aber wenn man es leert, kann es wieder ganz neu gefüllt werden», sagt Atemtherapeutin Barbara Spahni: «Genauso ist es beim Atmen: Durch intensives Ausatmen schaffen wir Platz für eine tiefere und frischere Einatmung.»
Wenn wir entspannt atmen, machen wir automatisch kleine Pausen zwischen den Atemzügen. Auch wenn wir diese oft nicht bewusst wahrnehmen, spielen sie eine wichtige Rolle: Die Pausen verbessern die Sauerstoffversorgung des Körpers und ermöglichen einen besseren Abtransport von Abfallprodukten wie Kohlendioxid. Steigt der Kohlendioxidgehalt, wird automatisch der Atemimpuls ausgelöst, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Zudem beruhigt der Atemhalt den Atemrhythmus. Der Atem wird danach tiefer und ruhiger, das fördert den Stressabbau. «Und weil wir nach der Atempause wieder mehr Sauerstoff aufnehmen, gibt uns das auch mehr Energie», sagt die Expertin. (Fortsetzung weiter unten…)
Entspanne den Körper und lege die Handflächen auf deinen Bauch.
Du kannst die Ausatmungszeit auch länger machen als das Einatmen. Diese Atemtechnik heisst 4711 (oder auch 4610).
«Diese Atemübung ist auch gut geeignet, wenn man nicht schlafen kann», weiss die Atemtherapeutin. «Denn wenn man sich aufs Zählen konzentriert, kann man nicht im Gedankenkarussell kreisen.»
Bei dieser Atemtechnik liegen die Lippen locker aufeinander, sie sind nicht zusammengepresst. Die Luft kann durch einen Spalt sanft entweichen, ohne dass sich die Wangen zu sehr aufblähen.
Durch den Sauerstoffmangel bei der Atempause reagiert der Körper ähnlich wie bei einem Höhentraining und nimmt Anpassungen vor, um die Versorgung sicherzustellen. Die Anzahl der roten Blutkörperchen im Blut erhöht sich und der Körper beginnt, Sauerstoff besser aufzunehmen und zu verarbeiten.
Auch diese Technik arbeitet mit der Atempause. Der Unterschied ist, dass du die Luft nicht so lange wie möglich anhältst, sondern zählst.