Für unsere Vorfahren stellte der Winter ernährungstechnisch eine grosse Herausforderung dar. Die Not machte erfinderisch: Vom einst erlangten Wissen profitieren wir bis heute.
Vor 150 Jahren ernährten sich die meisten Menschen von dem, was Feld und Garten hergaben. Aber nur wer für die Wintermonate vorsorgte, überlebte. Die Menschen mussten Wege finden, um die angelegten Vorräte vor dem Verderben zu schützen.
Dem Fleisch wurde durch Salzen und Räuchern Wasser entzogen, so wurde es haltbar gemacht. Obst wurde gedörrt und eignete sich ebenfalls als Energielieferant. Andere Lebensmittel wurden zuerst absichtlich «guten» Bakterien ausgesetzt, bevor schädliche Mikroorganismen sie zersetzen konnten. Heute nennen wir den Vorgang Fermentation. Dadurch konnten auch viele wertvolle, aber empfindliche Nährstoffe konserviert werden. Hefen und Bakterien halfen auch, den Saft von Früchten sowie Milch haltbar zu machen. Das Endprodukt Käse lieferte Eiweiss, Kalzium und etwas Vitamin D, von dem wir im Winter selber zu wenig produzieren.
Unverarbeitete Nahrungsmittel wie Randen, Rüben und Kartoffeln wurden im Sand vergraben, was das Keimen und das Verderben bis ins Frühjahr hinauszögerte. Selbst Äpfel, Birnen und Nüsse hielten kühl, trocken und dunkel gelagert einige Wochen. Auch lebendiges Vieh stellte einen Vorrat an Nährstoffen dar. Im Gegensatz zu heute nutzte der Störmetzger früher praktisch das ganze Tier. Eisen und Zink kamen von der Blutwurst, die Leberwurst sorgte zusätzlich für eine Vielzahl an Vitaminen. Das ausgelassene Fett aus der Schwarte des Tiers diente dazu, das Fleisch luftdicht aufzubewahren. Die guten Stücke blieben im fest gewordenen Schmalz lange essbar, und dieses diente gleich noch zum Anbraten. (Fortsetzung weiter unten...)
Dank Kühlschränken und Gewächshäusern bekommen wir heutzutage auch im Winter alles, was unser Körper begehrt. Trotzdem macht es Sinn, zu Saisonalem zu greifen. Früchte und Gemüse bilden mehr Nährstoffe, wenn sie saisongerecht angepflanzt werden, auch kommen sie so mit weniger Pflanzenschutzmitteln aus, sind günstiger und umweltfreundlicher.
Vor einem Jahrhundert reichte es im Schnitt für gerade mal fünfzehn Grad Raumtemperatur. Heutzutage wird der Körper aufgrund der geheizten Räume daran gehindert sich zu akklimatisieren – selber Wärme zu produzieren und damit Kalorien zu verbrennen. Und das wäre überaus willkommen. Denn frostige Temperaturen machen uns zu Stubenhockern und verändern unser Essverhalten. Das Bedürfnis nach Süssem und Fettigem wächst. Werden wir diese Kalorien nicht los, setzen wir Winterspeck an.
Gute Eiweissquellen – etwa Milchprodukte, Geflügel, Fisch und Fleisch, aber auch Hülsenfrüchte und Nüsse – sind im Winter besonders wichtig. Denn rund ein Drittel der darin enthaltenen Energie wird vom Körper in Wärme umgesetzt. Bei Fett und Zucker sind es deutlich weniger. Am besten kommen wir durch den Winter, indem wir die Annehmlichkeiten der modernen Ernährung schätzen und bewusst in Anspruch nehmen – ohne den Erfahrungsschatz unserer Vorfahren ganz zu vergessen.