Bis zu 15 Prozent aller Frauen leiden unter dem Polyzystischen Ovarialsyndrom. Trotzdem ist die als PCOS bekannte Krankheit nur wenigen ein Begriff. Bei Zyklusstörungen, Übergewicht, starkem Haarwuchs und ausbleibender Schwangerschaft sollten Frauen hellhörig werden und sich ärztlich untersuchen lassen. Denn die Krankheit kann schwerwiegende Folgen haben, die bei frühzeitiger Diagnose teilweise verhindert werden können.
PCOS steht als Abkürzung für Polyzystisches Ovarialsyndrom (oder Ovarsyndrom). Es handelt sich dabei um eine Störung des weiblichen Hormonhaushalts, bei der meist ein Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen (Androgenen) vorhanden ist. «Die Krankheit ist ein Chamäleon», sagt Mareike Roth-Hochreutener, Leiterin des PCOS-Zentrums am Universitätsspital Zürich. «Sie hat viele verschiedene Gesichter, weshalb die Diagnosestellung nicht ganz einfach ist.» Das Syndrom habe jedoch nichts mit Zysten in den Eierstöcken zu tun, wie es die Bezeichnung vermuten lassen könnte.
Das PCO-Syndrom tritt mit unterschiedlichen Ausprägungen auf, und nicht alle Patientinnen leiden unter allen Symptomen gleichzeitig. Umgekehrt können all diese Symptome auch andere Ursachen haben.
Bei Verdacht auf ein Polyzystisches Ovarialsyndrom kommen diverse Untersuchungen zum Einsatz. Zyklusstörungen werden durch Befragung erhoben, verstärkter Haarwuchs und Akne durch eine äusserliche körperliche Untersuchung. Der Hormonspiegel wird mittels Bluttest erfasst. Dies sollte zu Beginn des Zyklus erfolgen, da die Hormone im Laufe des Zyklus schwanken. Die polyzystischen Ovarien fallen in der Regel im Rahmen der vaginalen Ultraschalluntersuchung bei der gynäkologischen Kontrolle auf.
Ärztinnen und Ärzte stellen die Diagnose gemäss den sogenannten Rotterdam-Kriterien. Demnach müssen mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sein:
Für eine PCOS-Diagnose müssen aber zuerst andere Ursachen für die Symptome ausgeschlossen werden. Wegen des uneinheitlichen Erscheinungsbilds dieser Krankheit kommt es gelegentlich zu Fehldiagnosen, und umgekehrt wird PCOS nicht immer erkannt.
Man geht davon aus, dass zwischen 5 und 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter in stärkerem oder schwächerem Ausmass betroffen sind. Typischerweise macht sich das Syndrom zwischen 20 und 30 zum ersten Mal bemerkbar und klingt mit den Wechseljahren wieder ab. «Einige spüren die Symptome erst, wenn sie die Pille absetzen», sagt Gynäkologin Mareike Roth-Hochreutener. Die Diagnose sei in letzter Zeit häufiger gestellt worden, weil die Krankheit bekannter geworden sei und junge Frauen sich vermehrt im Internet informieren, erklärt die Spezialistin. «Frauen beschäftigen sich stärker mit ihrem Zyklus, schlucken weniger häufig die Pille, und das Körperbewusstsein ist allgemein gestiegen.» (Fortsetzung weiter unten…)
Wieso ein Teil der Frauen unter PCOS leidet, ist nicht genau bekannt. Man geht davon aus, dass eine genetische Veranlagung mitspielt, denn Studien haben gezeigt, dass Töchter von Müttern mit PCOS häufiger betroffen sind als andere Frauen. Zudem wird beobachtet, dass auch Töchter von Männern mit früher Glatzenbildung überdurchschnittlich oft an PCOS leiden.
Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Mechanismen sind komplex. Unklar ist zum Beispiel, ob der aus dem Gleichgewicht geratene Insulinstoffwechsel eher die Ursache oder die Folge des gestörten Stoffwechsels der Geschlechtshormone ist. Die stärkere Insulinausschüttung infolge der Insulinresistenz regt nämlich die Produktion von männlichen Geschlechtshormonen und des Luteinisierenden Hormons an, was die Entstehung von Übergewicht begünstigt. Übergewicht wiederum wirkt sich störend auf das hormonelle Gleichgewicht aus.
«Eine Methode, die das Syndrom ein für alle Mal heilt, gibt es leider nicht», schickt Mareike Roth-Hochreutener voraus. «Es gilt, je nach vorherrschenden Symptomen einen individuellen Weg für die Behandlung zu finden.» Deshalb würden am PCOS-Zentrum diverse Spezialistinnen und Spezialisten zusammenarbeiten – neben Gynäkologinnen etwa auch Endokrinologen, Dermatologinnen, Diabetologen, Übergewichtmediziner, Ernährungsberaterinnen und Physiotherapeutinnen.
Ein wirksames Mittel ist die Einnahme der Antibabypille, was aber bei gewissen Risikofaktoren oder einem Kinderwunsch nicht infrage kommt. Die weiblichen Hormone in der Pille können die Produktion von männlichen Hormonen und die damit verbundenen Folgeerscheinungen wie starke Behaarung und Akne reduzieren. Auch Medikamente, die die Insulinresistenz vermindern, sind hilfreich. Sie unterstützen gleichzeitig die Gewichtsreduktion.
Bei Kinderwunsch stehen zudem Medikamente zur Verfügung, die den Eisprung anregen. «Dies gelingt in den meisten Fällen», sagt die Ärztin. Bei ausbleibender Empfängnis sei es deshalb wichtig, rechtzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen, bevor das fortgeschrittene Alter die Chancen für eine Schwangerschaft vermindert.
Eine Abklärung und die Behandlung der Krankheit seien aber auch wegen der zahlreichen möglichen Spätfolgen wichtig, betont Roth-Hochreutener. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch erhöhten Blutzucker und Blutfette, Übergewicht sowie hohen Blutdruck gefördert werden. Oft sei auch der Leidensdruck gross: «Frauen mit starker Behaarung schämen sich meist und ziehen sich vermehrt zurück.»
Ein gesunder Lebensstil kann die Symptome reduzieren. Dazu gehören sportliche Betätigung und eine ausgewogene, nicht zu reichhaltige Ernährung. So bekommen Frauen ihr Körpergewicht besser in den Griff, was sich wiederum günstig auf den Hormonstoffwechsel auswirkt. Eine eher kohlenhydratarme Ernährung mit vielen Proteinen und Ballaststoffen kann zudem zu einer Normalisierung des Blutzuckerspiegels beitragen. Zudem erhöhe eine Gewichtsreduktion die Chancen für eine Schwangerschaft, sagt Dr. med. Mareike Roth-Hochreutener: «Eine Gewichtsabnahme von fünf bis zehn Prozent führt zu regelmässigeren Zyklen und einer besseren Fruchtbarkeit.»