Bei Erwachsenen ist Schlafwandeln ein seltenes Phänomen. Es tritt familiär häufiger auf und kann durch Stress begünstigt werden. Bei plötzlichem Auftreten können somatische oder psychische Erkrankungen dahinterstecken.
Früher glaubte man, das Licht des Vollmonds locke die Menschen in der Nacht aus dem Bett. Heute weiss man, dass Schlafwandeln eine Aufwachstörung in der Tiefschlafphase ist. «Ein Teil des Gehirns wacht dabei auf, der andere schläft weiter», erklärt Katharina Stingelin, Somnologin in der Schlafklinik KSM Klinik für Schlafmedizin Bad Zurzach. «Die Hirnlappen generieren dabei unterschiedliche Wellen.» Warum man unvollständig erwacht, ist unbekannt. «Eine allumfassende Antwort gibt es nicht», sagt die Expertin.
Bei Kindern ist Schlafwandeln ganz normal, bei Jugendlichen nimmt die Häufigkeit bereits ab. Ein Fünftel der 6- bis 12-Jährigen tut es mindestens einmal im Leben, verursacht wird es vermutlich durch den Reifungsprozess des Gehirns. Es ist zudem vererbbar. Wenn ein Elternteil schlafwandelte, tun Kinder es mit 45-prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls. Taten es beide Eltern, steigt sie auf 60 Prozent.
Das Phänomen verwächst sich: Nur 1,5 bis 2,5 Prozent der Erwachsenen schlafwandeln. Bestimmte Auslösefaktoren können es begünstigen. «Dazu gehören Stress, Schlafmangel, unregelmässige Bettzeiten, Alkohol und emotionale Anspannung», weiss Katharina Stingelin.
Neu auftretendes Schlafwandeln kann bei erwachsenen und älteren Menschen auf Krankheiten hinweisen – wie etwa neurodegenerative Erkrankungen. «Bei plötzlichem Schlafwandeln im Erwachsenenalter ist es angebracht, eine neurologische Abklärung zu tätigen», rät Katharina Stingelin. Besonders dann, wenn die betroffene Person sich selbst oder andere gefährdet, die Ereignisse sich häufen oder abnorme Tagesschläfrigkeit auftrit. (Lesen Sie unten weiter...)
Bei den nächtlichen Ausflügen sind komplexe Routinehandlungen wie das Aufschliessen und Verlassen der Wohnung oder Autofahren möglich, schlafwandlerische Sicherheit gibt es dabei aber nicht: Auch wenn die Augen geöffnet sind, ist nur eine eingeschränkte Wahrnehmung vorhanden. Man sieht Hindernisse oder Absätze nicht und kann gut und gerne irgendwo runterfallen. Schlafwandeln kann dann zum Problem werden, wenn man in der Nacht unbewusst grosse Mengen isst oder gegenüber dem Bettpartner gewalttätig wird, wie dies in seltenen Fällen geschieht.
Eine schlafwandelnde Person soll man nicht wecken, sondern sanft mit Worten zurück ins Bett begleiten und nur wenn nötig leicht anfassen. Wecken oder Licht können Schlafwandler erschrecken. Regelmässige Schlafenszeiten, genügend Schlaf, Vermeidung von emotionaler Belastung und Stress sind Massnahmen, die helfen, das Schlafwandeln zu verhindern oder zu minimieren.