Essen ist weit mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es bedeutet Genuss, stellt soziale Verbindung her und ist ein Anker in schwierigen Zeiten. Manchmal nutzen wir Essen aber auch als Ventil für unsere Emotionen. Was genau ist emotionales Essen? Wo liegen seine Ursachen, wie kann man es in den Griff bekommen?
Emotionales Essen bezeichnet das Verhalten, bei dem Nahrung nicht wegen körperlichen Hungers konsumiert wird, sondern um emotionale Bedürfnisse zu befriedigen. «Viele Menschen greifen bei Stress, Einsamkeit, Langeweile oder Traurigkeit instinktiv zu Schokolade oder Chips, weil diese Lebensmittel kurzfristig Trost spenden. Doch der Effekt hält nicht an – und die eigentlichen Ursachen bleiben ungelöst», erklärt Nadia Fernández, Psychologische Beraterin IKP.
Diese Lebensmittel aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn und setzen Glückshormone wie Dopamin und Serotonin frei, deren Wirkung jedoch schnell wieder abklingt. «Häufig verspüren Betroffene nach dem Essen Schuldgefühle oder ein schlechtes Gewissen, die den inneren Druck weiterhin erhöhen», so Nadia Fernández. Langfristig kann emotionales Essen zu Übergewicht, gesundheitlichen Problemen und einem gestörten Essverhalten führen.
Der Zusammenhang zwischen Essen und Emotionen ist tief in unserer Entwicklungsgeschichte verwurzelt. In früheren Zeiten war energiereiche Nahrung nur schwer zu beschaffen und bedeutete Überleben und Sicherheit.
Heute stehen für viele Menschen Lebensmittel nahezu unbegrenzt zur Verfügung – zumindest in wohlhabenden Teilen der Welt. Dennoch bleibt der psychologische Mechanismus bestehen: Essen wird als Mittel eingesetzt, um negative Emotionen zu verdrängen und/oder positive Gefühle hervorzurufen.
Eine aktuelle Studie von Forschenden des Max-Planck-Instituts in Zusammenarbeit mit der Yale University zeigt, dass der Verzehr von Pommes und Süssigkeiten das Gehirn verändert. Es entwickelt dabei eine unbewusste Vorliebe für belohnende Nahrungsmittel. Diese Veränderungen führen dazu, dass wir automatisch Lebensmittel mit hohem Fett- und Zuckergehalt bevorzugen.
Süsse und fettreiche Lebensmittel aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn stark. Diese Lebensmittel sorgen für eine schnelle Ausschüttung von Neurotransmittern, die Stress abbauen und Wohlbefinden erzeugen. «Diese Nahrung ist nicht nur kalorienreich, sondern oft mit positiven Erinnerungen verknüpft, die häufig in unsere Kindheit zurückreichen», erklärt die Expertin Nadia Fernández. «Nicht wenige von uns wurden schon als Kind zum Beispiel mit einer Süssigkeit für eine gute Leistung belohnt oder über ein trauriges Erlebnis hinweggetröstet. Dies erzeugt eine Konditionierung, die sich bei manchen Menschen bis ins Erwachsenenalter hält.»
Zwischen Geschmack und Erinnerungen gibt es eine Verbindung, die beim Essen wieder aktiviert wird. Die geliebte Schokoladenglace erinnert uns vielleicht an unsere unbeschwerte Kindheit, während der Duft eines frisch gebackenen Kuchens Geborgenheit vermittelt. Es ist nicht nur ihr Zucker- oder Fettgehalt, der diese Lebensmittel zu Trostspendern macht, sondern auch die emotionale Bedeutung, die wir ihnen zumessen.
Die Gründe für emotionales Essen sind vielfältig und individuell. Häufig treten folgende Situationen und Gefühle als Auslöser auf:
Dabei ist das Verhalten oft unbewusst. «Viele Menschen merken erst im Nachhinein, wenn überhaupt, dass diese Emotionen ihr Essverhalten beeinflusst haben», meint Nadia Fernández. (Fortsetzung weiter unten…)
Wie erkennt man, ob man aus emotionalen Gründen isst? Diese Symptome können Hinweise geben:
Ein Tagebuch über Emotionen und Essgewohnheiten kann helfen, diese Muster besser zu erkennen und zu durchbrechen.
Emotionale Esser verlieren oft das Gespür für Hunger- und Sättigungsgefühle. Dieses Verhalten kann sich mit der Zeit verstärken: Die kurzfristige Linderung von Stress oder Trauer durch Essen wird zur Gewohnheit.
Forschungen zeigen, dass Lebensmittel, die Dopamin freisetzen, suchterzeugende Eigenschaften haben. Schokolade oder Chips aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn ähnlich wie andere Suchtmittel. «Das macht sie sehr verführerisch», so die Expertin. «Doch mit der Zeit muss die Menge erhöht werden, um den gewünschten Effekt zu erreichen, und das hat negative Konsequenzen.»
Emotionales Essen löst die zugrunde liegenden Probleme nicht, sondern verstärkt sie oft. Die Gewichtszunahme kann das Selbstwertgefühl senken und den psychischen Druck erhöhen – ein Teufelskreis, der neues emotionales Essen begünstigt.
Es gibt Strategien, die emotionales Essen reduzieren können. Hier sind einige praktische Tipps, die im Alltag helfen können:
(Fortsetzung weiter unten…)
Manchmal reicht es nicht aus, allein gegen emotionales Essen anzukämpfen. Professionelle Hilfe kann dich dabei unterstützen, die Ursachen besser zu verstehen und nachhaltige Lösungen zu finden.
Manchmal suchen wir etwas anderes als Nahrung – Geborgenheit, Verständnis oder Freude. Diese Tipps können helfen, seelischen Hunger zu stillen:
Emotionales Essen ist ein verbreitetes Phänomen, das jedoch nicht unveränderlich ist. Mit den richtigen Strategien und mit Unterstützung kannst du lernen, deine Emotionen anders zu bewältigen und ein gesundes Verhältnis zum Essen zu entwickeln.