Weniger essen, mehr Sport, mehr Entspannung: Wer solche Ziele erreicht, fühlt sich grossartig. Doch es droht auch die Gefahr, wieder in ungesunde Muster zurückzufallen. Diese Profi-Tricks helfen, auf Kurs zu bleiben.
Wer hat sich nicht schon einmal vorgenommen, mehr für die Gesundheit zu tun? Und vielen ist das auch schon gelungen. Allerdings können so einige ein Liedlein davon singen, wie es ist, wieder ins alte Fahrwasser zu geraten. Plötzlich vergrössern sich die Portionen auf dem Teller wieder, während die Anzahl spazierter oder gejoggter Kilometer laufend abnimmt – genauso wie die Anzahl geschlafener Stunden. Schleichend wird so zunichte gemacht, was man sich vorher mit viel Einsatz erarbeitet hat. Frust ist programmiert.
«Nach dem Erreichen eines Ziels wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen, ist ein häufiges Problem», sagt Nadine Kügerl, Personal Health Coach bei der SalutaCoach AG, einem Start-up-Unternehmen der Uni Basel.
Um zu erklären, warum wir immer wieder mal rückfällig werden, muss die Expertin ein bisschen ausholen. «Willst du eine Gewohnheit verändern, musst du in Situationen, für die du bisher einen Autopiloten hattest, plötzlich wieder selber ans Steuer und bewusst neue Entscheidungen treffen. Dies braucht Aufmerksamkeit, die wichtigste Ressource unserer Kognition.»
Wie alle unsere Ressourcen sei aber auch die Aufmerksamkeit nicht unbegrenzt. Und wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken, werde oft durch unsere innere Priorisierung bestimmt. «Neue Gewohnheiten stehen auch bei grosser anfänglicher Motivation oft noch am unteren Ende der inneren Prioritätenliste und müssen sich langsam hocharbeiten», so Kügerl.
Zu den grössten Hindernissen bei der Etablierung von neuen Gewohnheiten gehören deshalb gemäss der Expertin anspruchsvolle oder neue Situationen und Lebensumstände, die viele Entscheidungen und viel Aufmerksamkeit bedürfen. «In solchen Situationen hat unsere Psyche die Tendenz, das Altbewährte zu wählen, weil das am wenigsten Aufmerksamkeit braucht.»
Ein weiterer Fallstrick sei der soziale Kontext, gerade was die Ernährung anbelangt. «Ist es zum Beispiel Tradition, dass man einmal pro Woche mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen ausgiebig essen geht, dürfte es Fragen geben, wenn wir plötzlich statt des Schnitzels einen Salat essen», sagt Nadine Kügerl. So könne es passieren, dass wir unsere neuen Ernährungsgewohnheiten vernachlässigen, damit wir gegenüber den Kolleginnen und Kollegen eine konstruierte Identität aufrechterhalten können.
Eine Gefahr lauert auch darin, dass wir manchmal voreilig sind. «Der Mensch mag möglichst schnelle Erfolge. Diese geben ihm die Sicherheit, dass sein Verhalten für die Situation adäquat ist, und löst positive Gefühle aus. Ausserdem führen Erfolge dazu, dass wir uns entspannen können, da wir eine gegebene Situation erfolgreich lösen konnten.»
Die Macht der alten Gewohnheiten werde dabei jedoch meist unterschätzt. «Daher kommt es vor, dass Menschen beim Verändern von Gewohnheiten den bewussten Prozess der Verhaltensänderung zu früh einstellen und sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegen. So können alte Gewohnheiten nach und nach wieder die Oberhand gewinnen.»
Will man verhindern, dass einem mit viel Einsatz Erarbeitetes wie Sand durch die Finger zerrinnt, sollte man gemäss Nadine Kügerl auf zwei Punkte achten:
Oft essen wir nebenbei, abgelenkt von anderen Dingen. Dies führt dazu, dass wir uns nicht wirklich mit der Portionengrösse oder den Inhaltsstoffen unseres Essens befassen und ausserdem auch die Signale unseres Körpers in Bezug auf die Ernährung weniger wahrnehmen. Esse ich gerade einen Snack, weil ich Energie brauche, oder vielleicht doch eher, weil es mir einfach langweilig ist? «Essen ist ein essenzieller Teil unseres körperlichen und geistigen Wohlbefindens und verdient dementsprechend auch unsere Aufmerksamkeit», betont Nadine Kügerl. «Um nachhaltige Veränderungen bei der Ernährung zu erreichen, bedarf es eines bewussten Umgangs mit dem Essen, denn was wir nicht wahrnehmen, können wir auch nicht bewusst beeinflussen.»
«Bei der Umstellung der Ernährung lohnt es sich, einzelne Nahrungsmittelanpassungen anzugehen und nicht von heute auf morgen die ganze Ernährung komplett umzustellen, da dies oft eine grosse Herausforderung ist», sagt Kügerl. Ausserdem komme mit einer kompletten Umstellung eher die Tendenz zum «Ganz oder gar nicht»-Denken auf. Ihre Empfehlung: bei den Zwischenmahlzeiten oder den Getränken beginnen. «Mit einer Umstellung von Süssgetränken auf Wasser oder ungesüssten Tee kann beispielsweise die tägliche Kalorienaufnahme in kurzer Zeit reduziert werden.» Diese Veränderungen seien zudem nachhaltiger, weil die einzelnen Teilprojekte voneinander gelöst würden und so Misserfolge im einen Bereich nicht zwangsweise das gesamte Projekt in Frage stellten.
Es ist anspruchsvoll, Entscheidungen zum Essen zu treffen, seinen Gelüsten zu widerstehen und gesündere Alternativen zu wählen. «Diese Entscheidungen sind stark erschwert und teilweise gar nicht möglich, wenn wir nicht wissen, welche Lebensmittel zum Erreichen unserer Ziele weniger förderlich sind und was gesunde Alternativen wären. Deshalb lohnt es sich, das eigene Wissen zu Ernährung allmählich aufzubauen, damit uns förderliche Entscheide leichter fallen.» Je nachdem kann es sich auch lohnen, das Thema in einer Ernährungsberatung zu vertiefen.
Termine, die wir uns selbst setzen, sind weit leichter zu vergessen oder zu vernachlässigen als Termine mit anderen. «Die Hemmschwelle, jemandem abzusagen, ist höher, als sein eigenes Ziel für den heutigen Tag unter den Teppich zu kehren. Dies können wir uns bei der Aufrechterhaltung unserer neuen Gewohnheiten zunutze machen, indem wir zum Beispiel einem Verein beitreten.» Vorsicht ist aber geboten, wenn ein Sportpartner absagt. Dann sollte man nicht in Ausreden verfallen, warum man selber auch nicht kann. Motivierend wirken können auch Gruppenkurse. Warum also nicht mal das Body- und Mind-Workout Antara, Zumba oder Pilates ausprobieren? Oder Country Line Dance, den Hawaiianischen Hula-Tanz oder Dance Aerobic? Bei vielen beliebt ist auch Fight Power, das schweisstreibende Workout mit Kampfsportelementen.
Beim Aufrechterhalten von Bewegungsgewohnheiten darf man sich die Phrase «Es gibt kein schlechtes Wetter, nur inadäquate Kleidung» zu Herzen nehmen. «Es lohnt sich, in gute Ausrüstung zu investieren, da dies über Barrieren wie zum Beispiel schlechtes Wetter hinweghelfen und auch sonst zusätzliche Motivation bringen kann.» Es kann sich auch lohnen, zum Beispiel in passende Jogging- oder Wanderschuhe zu investieren, wenn die alten ständig drücken – oder sich Inline-Skates zu besorgen, mit denen man tatsächlich bremsen kann (Schoner nicht vergessen!). Sitzt der Velohelm nicht richtig, kann das ebenfalls demotivieren. Dann gehört auch er erneuert. Das Gleiche gilt, wenn das Velofahren auf dem alten wackligen Bike keinen Spass mehr macht.
«Wenn jemand seine Bewegungsgewohnheiten im Sommer umstellt und nach kurzer Zeit regelmässig mit dem Velo zur Arbeit radelt und zweimal in der Woche joggt, befindet er oder sie sich voll auf der Erfolgsspur», sagt Nadine Kügerl. Doch der gleiche Bewegungsplan sehe bei Schnee auf den Strassen und Eis auf der Joggingstrecke schon etwas weniger realistisch aus. «Damit sich Gewohnheiten beim Wechsel der Jahreszeiten nicht graduell ausschleichen, empfiehlt es sich, vorausschauend zu planen und bereits im Sommer zu überlegen, wie ein mögliches Winterprogramm aussehen könnte, bei dem das Joggen zum Beispiel ins Fitnesszentrum verlagert werden könnte.» (Fortsetzung weiter unten…)
«Sich zu entspannen, will gelernt sein, weshalb die Suche nach Entspannung anfänglich mit Ausprobieren verbunden ist», sagt Nadine Kügerl. Habe man eine Technik gefunden, die wirke, dann sei es ratsam, diese zu vertiefen. «Es lohnt sich aber auch, seinen Katalog an Entspannungstechniken immer wieder zu erweitern. Vielfalt und Abwechslung sorgen dafür, dass wir für jede Situation das passende Werkzeug bereit haben.» Entspannend wirken können unter anderem Yoga, Yoga Nidra, Tai Chi und Qi Gong sowie Autogenes Training, Meditation und Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR. Auch entspannende Musik kann beim Abschalten helfen.
Schlechter Schlaf kann oft lange kompensiert werden, und wir werden meist zu spät darauf aufmerksam, dass wir zu wenig schlafen. «Hier lohnt es sich nach einer Verhaltensumstellung, die zu besserem Schlaf geführt hat, die Schlafgewohnheiten auch weiter zu verfolgen. Damit man schnell merkt, wenn sich der Schlaf wieder verschlechtert, und dann gleich handeln kann. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten über Apps, Smartwatches oder auch ein analoges Schlaftagebuch.» Ein gutes Schlafklima ist ebenfalls wichtig. Wähle also eine Matratze, die deinem Rücken bekommt. Wenn dir nicht ganz klar ist, was du brauchst, nutze einen Matratzenfinder. Wichtig ist auch eine Decke, die deinen Temperatur-Bedürfnissen entspricht, sowie ein Kissen, das den Nacken gut stützt. Allenfalls empfiehlt sich sogar ein extra Nackenkissen.
Nimm dir während, aber auch nach einer Verhaltensänderung zwischendurch Zeit für dich selbst. «Setze um Beispiel alle ein bis zwei Monate einen Termin, an dem du einen Spaziergang zu einem bestimmten Ort machst», so die Expertin. Dabei gehe es nicht einfach um Entspannung, sondern um einen Check-up mit sich selbst. «Fragen wie ‹Was sind meine momentanen persönlichen Ziele und wie bin ich da unterwegs?› oder ‹Gibt es Bedürfnisse, die ich ignoriere und um die ich mich kümmern sollte?› können mental oder auch schriftlich beantwortet werden.» Wichtig sei es jeweils, übergeordnete persönliche Ziele zu haben. «Das ist motivierend für den Alltag. Ausserdem führt der Check-up dazu, dass Probleme nicht verschoben werden, bis sie so gross sind, dass sie sich durch Symptome zeigen müssen.» (Fortsetzung weiter unten…)
Wenn wir vor anspruchsvollen Aufgaben stehen, machen wir die Dinge oft grösser, als sie sind. «Es lohnt sich dann, Teilschritte anzuschauen, die zur Absolvierung der Aufgabe nötig sind, und diese Stück für Stück abzuarbeiten. Dadurch erreicht man auch immer wieder Teilziele, was ebenfalls motivierend ist», so Nadine Kügerl. «Was ist der erste Schritt, den ich tun muss?», sei dabei die entscheidende Frage, die man sich stellen müsse. Bei diesem Vorgehen lasse sich die Lösung für eine Aufgabe nach und nach konkretisieren.
Sind die Teilschritte einmal gefunden, geht es darum, die Erledigung kleinerer Aufgaben konkret zu planen. «Dadurch fällt der Druck ab, weil wir nun genau wissen, was es zu tun gibt und zu welchem Zeitpunkt. Sollte es vorkommen, dass wir Termine trotzdem verpassen oder verschieben, empfiehlt es sich, sofort in diesem Moment einen neuen konkreten Termin zu setzen.»
Für Erfolge und das Erreichen von Teilzielen sollte man sich selber angemessene Anerkennung zukommen lassen. «Kleinere Belohnungen, zum Beispiel wenn man sein Bewegungsziel an einem bestimmten Tag erreicht hat, fördern den Wert des gesunden Verhaltens und steigern dadurch auch die Motivation an anderen Tagen.» Ein Blumenstrauss, eine Massage, ein Wellness-Erlebnis oder ein wohlriechendes Bad zu Hause können beispielsweise als Belohnung dienen. Oder auch ein gutes Buch oder die CD oder die DVD, die man schon länger besorgen wollte.
Wenn es trotz der vielen Möglichkeiten, die es zur Aufrechterhaltung eines neuen Verhaltens gibt, schon wieder zwei Monate her ist, dass du bei deinem eigentlich «wöchentlichen» Schwimm- oder Fitnesstraining warst: Verzweifle nicht. «Der Fakt, dass man es merkt, ist schon sehr wertvoll. Denn nun liegt die Aufmerksamkeit wieder auf dem Projekt ‹Ich will mich mehr bewegen›, und es kann wieder gearbeitet werden», sagt Nadine Kügerl.
Es lohne sich dann, zurückzuschauen und sich daran zu erinnern, welche Schritte vorher geholfen hätten, das neue Verhalten anzunehmen. Wichtig sei auch, zu schauen, was dazu geführt habe, dass das neue Verhalten nun wieder eingebrochen sei. Damit man sich Strategien für diese Barrieren erarbeiten kann. Nadine Kügerl: «So sind diese in Zukunft leichter zu bezwingen. Ein Personal Health Coach kann dabei optimale Unterstützung bieten.»