Allergien und Intoleranzen auf Lebensmittel können ähnliche Symptome aufweisen, haben aber ansonsten keine Gemeinsamkeiten. Wann sprechen Experten von Allergie, wann von Intoleranz?
«Bei einer Allergie löst das körpereigene Immunsystem Fehlalarm aus und identifiziert gewisse, harmlose pflanzliche oder tierische Eiweisse im Essen fälschlicherweise als ‹Feind›», sagt Brigitte Kalbacher, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie bei Medbase St. Gallen. Die vermeintlichen Eindringlinge wehrt es mit einer Überreaktion ab – der allergischen Reaktion. Stoffe, die eine solche Reaktion auslösen, heissen in der Fachsprache Allergene. Warum der Körper beim Kontakt mit bestimmten, harmlosen Substanzen Amok läuft, haben Wissenschaftler noch nicht endgültig klären können. Erb- und Umweltfaktoren spielen eine Rolle.
Wie bei einem Virus mobilisiert das Immunsystem beim ersten Kontakt mit einem Allergen Antikörper, die in der Lage sind, dessen Struktur wiederzuerkennen. Diese Information landet im Gedächtnis des Immunsystems. Sobald ein weiterer Kontakt entsteht, reagiert es mit den im Gedächtnis gespeicherten Antikörpern, um den Bösewicht unschädlich zu machen. Was bei Bakterien und Viren überlebenswichtig ist, wird im Falle von Allergenen zum Fehlalarm. Häufig verursachen bereits kleinste Mengen eines Nahrungsmittels eine allergische Reaktion, die Sekunden oder Minuten nach dem Verzehr einsetzen kann.
Während der Abwehrarbeit werden Botenstoffe ausgeschüttet, die zu Symptomen wie Juckreiz, Atemnot, Blähungen, Bauchkrämpfen, Schwindel, Erbrechen und weiteren führen können.
In Extremfällen kann ein allergischer Schock auftreten. Die Auslöser für einen solchen Schock sind häufig Sellerie, Erdnüsse oder Schalentiere. Ausserdem können Alkohol, körperliche Anstrengungen oder Stress bisher schwache Allergiesymptome verstärken.
Bei einer Lebensmittelallergie stellt das Immunsystem sogenannte IgE-Antikörper ab, die durch medizinische Tests im Blut erkannt werden. Nur wenn diese Antikörper vorhanden sind, handelt es sich um eine «echte» Lebensmittelallergie. Sie ist selten und tritt nur bei rund drei bis sechs Prozent der Menschen in der Schweiz auf.
Weitere Testverfahren:
- Beim Hauttest (Pricktest) wird ein Tropfen des in Flüssigkeit gelösten Allergens auf den Unterarm geträufelt und mit einer Nadel in die Haut gestochen. Anschliessend kann die Reaktion der Haut abgelesen werden.
- Bei der oralen Provokation wird der betroffenen Person das Nahrungsmittel unter ärztlicher Aufsicht verabreicht. Anschliessend wird die Reaktion des Betroffenen und der Zustand während mehrerer Stunden medizinisch überwacht.
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Intoleranzen lösen hauptsächlich Magen- und Darmbeschwerden aus. Symptome sind etwa Bauchschmerzen, Durchfall oder Blähungen. Zu den häufigsten Intoleranzen zählen Milchzuckerunverträglichkeit (Laktose) oder Fruchtzuckerunverträglichkeit (Fruktose).
Ursachen können defekte oder mangelnde Enzyme (Laktoseintoleranz) oder zu viel des Guten sein (Fruktoseintoleranz): In beiden Fällen können die Nahrungsbestandteile im Dünndarm nicht oder nur unzureichend aufgenommen werden und landen geballt im Dickdarm. Dort werden sie von Bakterien vergoren und führen zu Durchfall, Bauchweh und Blähungen. Zu viel des Guten meint: Ein Mensch kann pro Tag zwischen 35 bis 50 Gramm Fruktose aufnehmen. Dies entspricht etwa zwei grossen Gläsern Most. Alles, was darüber hinaus konsumiert wird, gelangt direkt in den Dickdarm und löst Beschwerden aus.
Fruchtzucker, auch Fruktose genannt, kommt natürlicherweise in Obst vor und verleiht ihm seine Süsse. Aus dem Darm wird der Zucker über ein Transporteiweiss ins Blut geschleust. Die Menge, die der Transporter auf einmal befördern kann, ist begrenzt – deshalb verträgt jeder Mensch Fruchtzucker nur in begrenzten Mengen. Vermutlich funktioniert die Fruktose-Schleuse bei etwa einem Drittel der Menschen nur eingeschränkt, weshalb sie schon auf kleinere Mengen der Fruchtsüsse mit Beschwerden reagieren. Durch die gleichzeitige Aufnahme von Zuckeralkoholen wie Sorbitol, die beispielsweise in Diät-, Light- und «zuckerfreien» Produkten wie Bonbons und Kaugummis vorkommen, wird die Verträglichkeit von Fruktose weiter verschlechtert, die Beschwerden können sich verstärken.
Symptome der Fruktoseintoleranz
Typische Symptome sind Blähbauch, Bauchschmerzen und Durchfall. Ob eine Fruktoseintoleranz vorliegt, kann der Arzt mit einem Atemtest feststellen. Steht die Diagnose fest, sollte der oder die Betroffene seine bzw. ihre Ernährungsgewohnheiten mit Fachleuten besprechen.
Rund 15 Prozent der Europäer vertragen nur kleine Mengen Milchzucker, auch als Laktose bezeichnet. Der Grund: ein Enzymmangel. Damit der Milchzucker verwertet werden kann, muss er im Darm aufgespaltet werden. Das geschieht durch das Enzym Laktase. Wird zu wenig davon gebildet oder wirkt es nicht ausreichend, kann weniger Laktose abgebaut werden. Der Zucker gelangt in den Dickdarm und wird dort von Darmbakterien zerlegt. Dadurch entstehen Gase, die zu Blähungen führen können und mehr Wasser gelangt ins Darmlumen, so dass es zu Durchfall kommen kann
Symptome der Laktoseintoleranz
Laktoseintoleranz kann zu Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen führen. Eine Milchzuckerunverträglichkeit lässt sich mit einem Atemtest feststellen. Wer diese hat, muss individuell austesten, welche Milchprodukte er in welcher Menge verträgt. Viel Laktose steckt zum Beispiel in Milch, Quark, Sahne, Frischkäse und teilweise in Schokolade. Hartkäse sind praktisch frei von Milchzucker. Inzwischen gibt es zahlreiche laktosefreie Produkte in Supermärkten. Alternativ können Betroffene auch das Enzym Laktase zum Essen einnehmen, wenn darin Laktose vorkommt.
Die Zöliakie ist ein Sonderfall. Sie ist weder eine Allergie noch eine klassische Intoleranz, sondern eine «Immunreaktion» mit genetischen Ursachen. Worum es sich handelt, erfährst du hier.
Histamin ist zum einen ein körpereigener Botenstoff, der vor allem in Haut, Lunge, Nervenzellen und Verdauungstrakt vorkommt. Zum anderen findet er sich in einigen Lebensmitteln. Vermutlich können manche Menschen aus der Nahrung stammendes Histamin nur langsamer oder unvollständig abbauen. Dabei spielen wohl ein oder mehrere Enzyme eine Rolle. Es ist unbestritten, dass sich Beschwerden, die sich nach Aufnahme von bestimmten Nahrungsmitteln einstellen, auf hohe Histaminmengen zurückführen lassen – Stichwort Fischvergiftung. Es ist bisher aber nicht sicher wissenschaftlich belegt, dass es eine Unverträglichkeit durch einen verminderten Histaminabbau bei normaler Ernährung gibt.
Symptome der Histaminintoleranz
Die möglichen Symptome einer Histaminintoleranz variieren ebenso wie die mutmasslichen Ursachen. Betroffene berichten über Kopfschmerzen, Migräne, Asthma, Blutdruckabfall und Schwindel, aber auch über Magen-Darm-Probleme, Herzrasen, Juckreiz oder Hautrötung. Nachweisen lässt sich diese potenzielle Unverträglichkeit derzeit nur schwer. Histamin steckt beispielsweise in gereiften Käsesorten wie Emmentaler oder Parmesan, in Rotwein, Wurst und Innereien, verarbeiteten Fischgerichten, aber auch in Essig und Kakao.