Meist steckt nichts Schlimmes dahinter, wenn in einer bestimmten Phase mehr Haare ausfallen als gewöhnlich. Dennoch tun sich viele Betroffene schwer damit und befürchten, bald ganz kahl daherzukommen. Mehr zu den Ursachen, den Arten und wann man zum Arzt sollte.
Dass alte Haare nach einigen Jahren ausfallen, ist normal. Wenn stets etwa gleich viele Haare nachwachsen, bleibt das Volumen der Frisur erhalten. Mit zunehmendem Alter wird das Kopfhaar aber tendenziell etwas rarer. Störend empfinden die meisten Menschen einen übermässigen Haarausfall – in der Fachsprache: Alopezie – der zu kahlen oder dünn behaarten Stellen führt. Dieser kann viele verschiedene Ursachen haben:
Wer den Eindruck hat, im Abfluss der Dusche oder auf dem Kissen würden sich vermehrt Haare ansammeln, ist meist beunruhigt. «Das kann Ängste und Sorgen auslösen», weiss Dr. med. Marguerite Krasovec Rahmann, Dermatologin in Schlieren. Doch das heisst noch nicht unbedingt, dass der Haarausfall tatsächlich im krankhaften Bereich liegt. Denn unsere Haarpracht wird ja dauernd erneuert. «Ein Verlust von etwa 100 Haaren täglich ist normal», stellt Krasovec klar. Zudem erfolge die Abstossung alter Haare nicht immer kontinuierlich, sondern könne in gewissen Phasen vermehrt auftreten – etwa bei Stress oder körperlicher Schwäche – oder mit dem Wechsel der Jahreszeiten. Sowie die vielen Tiere im Frühling ihr Fell lichten, verlieren auch viele Menschen saisonal etwas mehr Haare als sonst. Sollten die Haare jedoch über längere Zeit gleich büschelweise ausfallen und sich auf der Kopfhaut schüttere Stellen bilden, empfiehlt Krasovec einen Gang zum Arzt. (Fortsetzung weiter unten…)
Zuerst befragen Dermatologen ihre Patientinnen und Patienten gezielt über Beginn und Verlauf des Verlusts, über ihre Lebens- und Ernährungsgewohnheiten sowie besondere Umstände. Weil ein Haar erst etwa drei Monate nach Absterben der Haarwurzel ausfällt, muss die Ursache auch in der Vergangenheit gesucht werden. Darauf untersuchen sie die Kopfhaut mit einem speziellen Gerät namens Dermatoskop, führen Blutuntersuchungen durch und entnehmen gelegentlich auch eine Biopsie für eine weitere Abklärung.
Generell unterscheidet man zwischen lokalisiertem und diffusem Haarausfall. Bei ersterem bilden sich kahle Stellen, die klar abgegrenzt sind von der restlichen behaarten Kopfhaut. Dies ist etwa bei Geheimratsecken oder bei Glatzen der Fall – sowie beim kreisrunden Haarausfall, bei dem an gewissen Stellen runde oder ovale kahle Areale entstehen. Beim diffusen Haarausfall dagegen wird der Bewuchs auf der gesamten Kopfhaut weniger dicht.
Beim kreisrunden Haarausfall bilden sich auf der Kopfhaut oder bei Männern im Bartbereich runde oder ovale kahle Flecken in der Grösse von 20-Rappen-Stücken bis Fünflibern. Oft sind schon junge Menschen oder Kinder betroffen. Diese Art des Haarverlusts ist ebenfalls häufig. Die Ursache ist nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der das Immunsystem die Haarwurzeln angreift. Bei einigen bildet sich der kreisrunde Haarausfall von selbst wieder zurück, bei anderen bleibt er über lange Zeit bestehen. Für schwerwiegende Fälle wurde in der Schweiz 2024 ein neues Medikament zugelassen.
Dabei handelt es sich um die häufigste Art des Haarverlusts. Sie ist endgültig, aber nicht krankhaft. Der androgenetischen Alopezie liegt eine genetische Veranlagung zugrunde. Diese bewirkt, dass die Haarwurzeln empfindlich auf das männliche Sexualhormon Testosteron reagieren. Weil auch Frauen in geringeren Mengen Testosteron ausschütten, können auch sie betroffen sein. Beim androgenetischen Haarausfall wachsen mit zunehmendem Alter immer weniger und dünnere Haare nach. Bei mehr als einem Drittel der Männer und einem Sechstel der Frauen passiert das schon in jungen Jahren. Während sich bei Männern zuerst Geheimratsecken bilden und bei einigen stellenweise oder auf dem ganzen Kopf eine Glatze entsteht, lichten sich bei Frauen die Haare diffus an der Stirnhaargrenze und im Mittelscheitel. Wieso das passiert, weiss man nicht. Denn an anderen Köperstellen nimmt die Behaarung im Alter eher zu – meist dort, wo sie weniger erwünscht ist.
Ja. Haarausfall im Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen ist bei Frauen typisch – etwa nach einer Geburt, nach dem Absetzen der Pille oder in den Wechseljahren. Der Grund dafür ist, dass das weibliche Geschlechtshormon Östrogen in diesen Phasen zurückgeht. Östrogen regt den Haarwuchs eher an, während das männliche Geschlechtshormon, das Testosteron, einen hemmenden Einfluss auf die Haarwurzeln hat. In geringerem Masse schütten auch Frauen Testosteron aus. Dieses kann seine Wirkung besser entfalten, wenn der Östrogenspiegel tiefer ist. Während einer Schwangerschaft hindert der hohe Östrogenspiegel die Haare häufig am Ausfallen. Sinkt der Spiegel wieder, fallen vermehrt ältere Haare mit bereits abgestorbenen Wurzeln aus. Diese Haare wachsen wieder nach. In der Stillzeit kann der Haarausfall auf Mangelerscheinungen hinweisen.
Bei einem niedrigen Östrogenspiegel in den Wechseljahren kann eine Hormonersatztherapie helfen. Diese lindert gleichzeitig weitere häufige Beschwerden wie etwa Hitzewallungen und Schlafstörungen. Ob eine Einnahme von Hormonen gerechtfertigt ist, muss sorgfältig mit einer ärztlichen Fachperson abgewogen werden. Bei Schwächezuständen und Haarausfall in der Stillzeit empfiehlt sich neben ausgewogener Ernährung ein spezifisches Nahrungsergänzungsmittel. Denn in dieser Phase benötigen Frauen genügend Vitamine, Mineralstoffe und andere Spurenelemente für zwei Personen. Bei menstruierenden Frauen kommt es wegen des monatlichen Blutverlusts zudem deutlich öfter als bei Männern zu Eisenmangel. Dieser kann mit gezielter Ernährung und allenfalls mit Eisenpräparaten verbessert werden.
Die Behandlung hängt stark von der Ursache ab. Bei androgenetischem Haarausfall stehen Medikamente zur Verfügung, die in Form einer Tinktur auf die Kopfhaut aufgetragen oder in Tablettenform eingenommen werden. Das Medikament Minoxidil – eigentlich ein Blutdrucksenker – eignet sich für beide Geschlechter. Männer können zusätzlich mit Tabletten oder einer Tinktur aus dem lokalen Hormonblocker Finasterid behandelt werden, damit das Testosteron die Haarwurzeln weniger angreift. «Ein frühzeitiges Eingreifen ist von Vorteil», ermahnt Dermatologin Marguerite Krasovec Rahmann. Die Medikamente können den Prozess leicht rückgängig machen oder bremsen. In letzter Zeit werden zudem weitere Therapien angeboten, die gewisse Erfolge zeigen, obwohl deren Wirkung in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt ist. Dazu gehören zum Beispiel die Behandlung mit winzigen Nadeln (Microneedeling), Serumanwendungen mit Neopeptiden oder die Therapie mit Low-Level-Laser. In fortgeschrittenem Stadium hilft oft nur noch eine Haartransplantation. Dieses Verfahren ist beschwerlich und teuer. Die meisten Behandlungen gegen Haarausfall werden von den Krankenkassen nicht übernommen.
Im Handel werden diverse Nahrungsergänzungsmittel angepriesen. «Sie können den Haarverlust nicht stoppen, sondern höchstens die nachwachsende Haar-Generation etwas stärken», erklärt Krasovec. Kaum wirksam seien auch Spezialshampoos, die zum Beispiel Koffein enthalten. Denn die Wirkstoffe würden gar nicht bis zu den Haarwurzeln vordringen, die drei bis vier Millimeter unter der Kopfhaut liegen. Spezielle Volumenshampoos oder Haarwachse können lediglich die Frisur etwas voluminöser erscheinen lassen, sodass der Haarverlust weniger auffällt. (Fortsetzung weiter unten…)
Haarausfall lässt sich oft nicht verhindern, doch ein gesunder Lebensstil ohne Rauchen sowie eine gute, ausgewogene Ernährung sind auch für haarige Probleme die beste Vorsorge, weiss Marguerite Krasovec Rahmann. «Schöne Haare widerspiegeln unsere allgemeine Gesundheit.»
Menschen mit normaler Haarfülle haben durchschnittlich 75 000 bis 150 000 Haare auf dem Kopf, pro Quadratzentimeter etwa 200. Die Lebensdauer der Haarwurzel beträgt zwei bis sechs Jahre. Dann stirbt sie ab und das Haar, das im toten Zustand Kolbenhaar heisst, macht einem neuen Platz. Meist spriesst unter der Wurzel bereits das neue Haar und schiebt das Kolbenhaar an die Hautoberfläche. Ein Verlust von 60 bis 120 Stück pro Tag ist deshalb normal. Ein Kopfhaar wächst im Monat etwa einen Zentimeter.
Ob die Haare glatt, gewellt oder gekraust sind, hängt von der Beschaffenheit ab: Ist der Querschnitt des einzelnen Haares rund, wie bei den meisten Asiatinnen und Asiaten, so ergibt sich eine glatte Frisur. Bei einem ovalen Querschnitt bilden sich Locken. Das Kraushaar von Afrikanerinnen und Afrikanern rührt von einem stark elliptischen Querschnitt her.
Die Behaarung hat die Aufgabe, den Körper vor Hitze, Kälte, UV-Strahlung und Nässe zu schützen. Dabei leistet auch der Talg seine Dienste. Das fettende Sekret wird von der Talgdrüse an der Haarwurzel abgesondert. Für Menschen mit stark fettenden Haaren mag dies lästig sein, für Tiere, die sich bei niedrigen Temperaturen im Wasser aufhalten, ist der Talg überlebenswichtig. Säugetiere haben fast überall auf der Haut Haare. Man unterscheidet zwischen Fellhaaren, Borstenhaaren, Wollhaaren, Langhaaren und Tasthaaren.