Nicht nur möglichst alt zu werden, sondern bis ins hohe Alter körperlich fit und geistig rege zu bleiben, ist der Wunsch vieler Menschen. Wir zeigen, wie wir durch unseren Lebensstil unsere Lebenserwartung verlängern können.
Der Begriff «Longevity» stammt aus dem Englischen und bedeutet Langlebigkeit. Heute haben wir eine fast doppelt so hohe Lebenserwartung wie noch vor 100 Jahren. Die Gesundheitsspanne ist ebenfalls gestiegen, jedoch nicht im gleichen Masse wie die Lebenserwartung. Das bedeutet, dass wir zwar länger leben, die gewonnenen Jahre aber nicht für alle gesunde Jahre sind. Hier setzt die Longevity-Forschung an, die ihren Ursprung in den USA hat und nun auch in Europa immer mehr Fuss fasst. «Es geht dabei nicht ausschliesslich um ein Mehr an Jahren, sondern vor allem um ein Mehr an guten, gesunden Jahren, in denen man möglichst lange und viel von dem tun kann, was einem persönlich wichtig ist», so Christina Röcke, Co-Direktorin und Geschäftsführerin des Healthy Longevity Centers (HLC) an der Universität Zürich.
Zwar kann bei bestimmten Erkrankungen eine Veranlagung vererbt werden, wie bei Bluthochdruck oder Rheuma. Doch die Gene bestimmen nicht unsere Lebensdauer. «Sie liefern eine kleine Basis und machen nur etwa 10 bis 15 Prozent aus. Viel wichtiger für Langlebigkeit sind die Umwelteinflüsse und unser Lebensstil, und diesen können wir beeinflussen», erklärt Christina Röcke. Dass in manchen Familien beispielsweise alle Geschwister ungefähr gleich alt werden, hängt also weniger mit ihren Genen zusammen, sondern damit, dass sie ähnliche Gewohnheiten und Lebensumstände haben, dass sie zum Beispiel körperlich aktiv oder passiv sind. Führst du ein gesundes Leben? Gibt es Aspekte, die du verbessern könntest? Beantworte die Fragen des iMpuls Health Score und erhalte ein umfassendes Gesundheitsprofil.
Die gute Nachricht: Viele Faktoren, die für Longevity zuständig sind, können wir selbst beeinflussen. Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum und Bewegungsmangel sind Aspekte, die unser Leben verkürzen können. Eine ausgewogene Ernährung, regelmässige körperliche und geistige Aktivität, ausreichend Schlaf, soziale Kontakte und ein gutes Stressmanagement sorgen hingegen dafür, dass wir lange gesund bleiben. Sie alle sind wichtige Pfeiler der Holistic Health, also der ganzheitlichen Gesundheit, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern alle wichtigen Aspekte ins Gleichgewicht bringen oder im Gleichgewicht halten will. Die Untersuchung der Menschen in den sogenannten Blue Zones hat dabei wichtige Ergebnisse geliefert. Bei den Blue Zones handelt sich um Gebiete auf der Welt, die von Sardinien über Kalifornien bis Japan reichen, in denen es besonders viele gesunde Hundertjährige gibt. Obwohl diese Orte kulturell sehr verschieden sind, gibt es doch einige Gemeinsamkeiten. Schauen wir uns die einzelnen Aspekte genauer an:
Eine falsche, einseitige Ernährung mit zu viel Zucker, Fett, Salz und hochverarbeiteten Produkten ist verantwortlich für viele Zivilisationskrankheiten und führt zu Übergewicht. Liegt dein Gewicht im Normalbereich, ist es eher hoch oder tief? Berechne jetzt deinen BMI. Als gesundheitsförderlich hat sich eine ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung herausgestellt, die sich an die sogenannte mediterrane Diät anlehnt. Sie enthält unter anderem:
Auch ist es wichtig, sein Normalgewicht einzuhalten. Eine angepasste Kalorienzufuhr ist dabei essenziell. Der Kalorienbedarfs- und Kalorienverbrauchsrechner helfen bei der Berechnung. Nahrungsmittelergänzungen sind nur bei Mangelerscheinungen angebracht und sollten in Rücksprache mit dem Hausarzt oder der Hausärztin eingenommen werden.
«Am wirksamsten ist eine Mischung aus Muskelaufbau und kardiovaskulärem Training», sagt Christina Röcke. Krafttraining, das die gesamte Muskulatur stärkt, ist wichtig für die Mobilität und wirkt als Schmerz- und Sturzprävention. Ausdauertraining wirkt sich positiv auf den Kreislauf aus, wovon auch das Gehirn profitiert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät zu fünfmal pro Woche moderater Bewegung wie Velofahren, Schwimmen oder Gartenarbeit und zweimal pro Woche Krafttraining. Bewegung sollte in den Alltag eingebaut und so zur gesunden Gewohnheit werden. Das gelingt am besten, indem man sportliche Aktivitäten wählt, die Spass machen. Und auch wenn man eher ein Sportmuffel ist, denke daran: Jede Form von Bewegung ist besser als keine! Gehe spazieren, nimm mal das Velo statt des Autos, arbeite im Garten oder mache Dehnübungen.
«Um gesund zu altern, ist es zentral, nicht nur körperlich, sondern auch geistig aktiv zu bleiben, sprich immer wieder Dinge zu tun, die unser Gehirn herausfordern», erklärt die Expertin. Das muss nicht zwingend eine neue Sprache sein, es kann auch eine neue sportliche Tätigkeit sein, die Denkarbeit erfordert, wie beispielsweise Tanzunterricht zu nehmen. «Wir wissen heute, dass unser Gehirn bis ins hohe Alter Neues lernen kann – und das sollten wir auch tun», so Christina Röcke. «So wie unser Körper profitiert auch unser Gehirn von einer möglichst grossen Bandbreite an Aktivitäten.» (Fortsetzung weiter unten…)
Schlafmangel ist eine Volkskrankheit. «Dabei ist guter Schlaf wichtig für die körperliche und geistige Regeneration und wirkt sich direkt auf unser allgemeines Wohlbefinden aus», sagt die Fachfrau. Das Bedürfnis nach Schlaf variiert von Mensch zu Mensch, aber bewegt sich bei den meisten zwischen sieben bis acht Stunden. Studien zufolge haben Menschen, die über längere Zeit zu wenig schlafen, ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten, Übergewicht und Depressionen. Du kannst deine Schlafqualität verbessern, indem du für eine Raumtemperatur zwischen 15 und 18 Grad Celsius und eine angenehme Schlafumgebung sorgst, möglichst zur immer gleichen Zeit schlafen gehst und auf die Nutzung von elektronischen Geräten in den letzten 60 Minuten vor dem Schlafengehen verzichtest. Hier findest du weitere Tipps für einen besseren Schlaf.
Stress macht krank und lässt Menschen schneller altern. Ausserdem ist er nicht selten verantwortlich für ungesunde Gewohnheiten wie Rauchen, Alkoholmissbrauch oder unkontrolliertes Essen, die das Leben und vor allem die Lebensqualität verkürzen beziehungsweise verringern können. Sollen nun alle deshalb auf Autogenes Training, Yoga und Meditation setzen? Nein, denn Menschen sind verschieden. Manche erholen sich tatsächlich in der Ruhe und andere eher bei einer Aktivität. Aber: Es ist extrem wichtig für ein gesundes, langes Leben, dass wir eine gewisse Stress-Resilienz entwickeln, die uns dabei hilft, schwierige Situationen gut zu überstehen. Gerade im Alter sollten wir uns nicht durch das, was nicht (mehr) möglich ist, stressen lassen. «Vielmehr sollten wir auf unsere Ressourcen fokussieren, also auf all das, was noch gut klappt – und dankbar dafür sein», meint Christina Röcke.
Gemäss der langjährigen Harvard Study on Happiness sind soziale Beziehungen ein ausschlaggebender Faktor für gesundes Altern und Langlebigkeit. Wobei hier nicht die Menge an sozialen Kontakten bedeutsam ist, sondern die Qualität dieser Beziehungen. Zeit mit lieben Menschen zu verbringen, stärkt das Zugehörigkeitsgefühl, ist einerseits eine emotionale Bereicherung und kann andererseits auch ganz praktische Unterstützung bedeuten, die gerade im Alter immer wichtiger wird. Sei es, dass man über ein Netz an Menschen verfügt, die beispielsweise nach einem Unfall oder bei einer Krankheit tatkräftig helfen können, oder dabei, neue Vorhaben umzusetzen. «Ob es darum geht, mit dem Rauchen aufzuhören oder sich mehr zu bewegen – vieles gelingt oft besser in der Gemeinschaft», weiss die Expertin. Und natürlich sind Beziehungen oft der wichtigste Grund dafür, dass jemand lange leben möchte. Niemand, der einsam und verlassen ist, will noch möglichst viele Jahre in diesem Zustand verbringen. Ein Plus ist zudem, dass sozialer Austausch in der Regel auch ein gutes Hirntraining ist und damit doppelt gesund hält!
Wir gestalten unser Leben selbst und treffen täglich Entscheidungen. Manche sind besser als andere. Hier einige, die ein gesundes, langes Leben begünstigen können:
«Das glaube ich nicht», sagt Christina Röcke. «Wir werden das Altern nicht abschaffen können und das ist auch nicht das Ziel der meisten Menschen, denn es hat auch etwas Gutes und Richtiges, dass Dinge enden.» Das Bild des Alters hat sich jedoch verändert und wird heute tendenziell positiver gewertet. Es gibt viele fitte, unternehmungslustige, engagierte ältere Menschen. Alter bedeutet nicht nur Verlust von Fähigkeiten und Möglichkeiten, meint die Fachfrau: «Einige Aspekte verbessern sich im Alter sogar. So sind ältere Menschen in der Regel weniger einsam und zufriedener mit ihrem Leben als jüngere. Auch sind sie meist erprobter im Umgang mit Konflikten und Problemen und dadurch weniger gestresst und gelassener.» Und natürlich kann man diese und andere Vorteile des Alters am besten bei guter Gesundheit geniessen.